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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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das wohl irgendwann einmal weiß gewesen war, zupfte eifrig am Saum von Ormas kurzem Umhang. »Ich locke Kinder an«, murmelte Orma und drehte dabei den Hut in den Händen. »Tu mir den Gefallen und verscheuch die Kleine.«
    »Mein Herr?«, sagte das Mädchen. »Das ist für Euch.« Sie schmiegte ihre kleine Hand in die seine.
    Ich sah etwas Goldenes blitzen. Wie seltsam. Eine Bettlerin, die Orma eine Münze schenkte?
    Orma starrte auf den Gegenstand in seiner Hand. »Hast du auch eine Botschaft für mich?« Seine Stimme stockte, als er das sagte, und mir lief unwillkürlich ein Schauer über den Rücken. Kein Zweifel, er zeigte Gefühl. So etwas hatte ich noch nie bei ihm erlebt.
    »Die Münze ist die Botschaft«, sagte das Mädchen, das die Worte wohl auswendig gelernt hatte.
    Orma hob den Kopf und sah sich um. Er ließ den Blick vom großen Kirchenportal die Stufen hinab über den gut besuchten Platz zur Kathedralen-Brücke und dann den Fluss entlang schweifen. Ich sah mich ebenfalls um, obwohl ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wonach wir suchten. Die untergehende Sonne funkelte über den Hausdächern; eine Menschenmenge lief auf der Brücke zusammen; die grellbunte Comonot-Uhr auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes zeigte noch zehn Tage an; kahle Bäume am Flussuferschwankten im Wind. Mehr war nicht zu sehen.
    Ich blickte Orma fragend an, der nun wieder nach unten sah, als ob er etwas verloren hätte. Ich nahm an, dass er die Münze suchte, doch nein. »Wo ist sie hin?«, fragte er.
    Das Mädchen war verschwunden.
    »Was hat sie dir gegeben?«, fragte ich zurück.
    Er antwortete nicht, sondern verstaute das Geldstück sorgfältig in seinem wollenen Trauerwams. Dabei erhaschte ich einen Blick auf das Seidenhemd, das er darunter trug.
    »Schön«, brummte ich. »Dann sag es mir nicht.«
    Er blickte mich erstaunt an. »Ich hatte nie die Absicht.«
    Ich seufzte und versuchte, ihm nicht böse zu sein.
    In diesem Moment brach ein Tumult auf der Kathedralen-Brücke aus. Ich schaute hinüber und mir stockte der Atem: Sechs Schläger, die sich schwarze Federn an die Kappen geheftet hatten – was sie als Söhne von Sankt Ogdo auswies –, hatten sich auf einer Seite der Brücke im Halbkreis um irgendeinen armen Kerl geschart. Der Lärm zog Menschenvon allen Seiten an.
    »Gehen wir in die Kathedrale, bis das vorüber ist«, sagte ich und wollte Orma am Ärmel packen, aber es war schon zu spät. Er hatte bemerkt, was vor sich ging, und eilte die Stufen hinunter auf den Pöbel zu.
    Der Bursche, den sie gegen das Brückengeländer gedrängt hatten, war ein Drache. Ich konnte das Funkeln seiner Silberglocke sogar hier auf den Stufen von Sankt Gobnait sehen. Orma drängelte sich durch die Menge. Ich versuchte dicht hinter ihm zu bleiben, aber jemand versetzte mir einen Stoß und ich stolperte auf den freien Platz, wo Ogdos Söhne mit Knüppeln auf den sich krümmenden Saarantras einhieben. Dazu riefen sie im Chor den Fluch, den Sankt Ogdo einst gegen das Untier ausgestoßen hatte: »Verflucht seien deine Augen, Wurm! Verflucht seien deine Hände, dein Herz, deine Abkömmlinge bis zum Ende aller Tage! Alle Heiligen mögen dich verfluchen, das Himmlische Auge möge dich verfluchen, jeder deiner hinterhältigen Gedanken komme als Fluch über dich!«
    Jetzt, da ich sein Gesicht sah, hatte ich Mitleid mit dem Drachen. Er war ein noch unfertiger Schlupfling, dürr und ungepflegt, mit verdrehten Gliedmaßen und Glupschaugen. Direkt unter seinem fahlen Wangenknochen bildete sich bereits eine große Beule.
    Hinter meinem Rücken grölten die Leute; sie waren wie ein Wolfsrudel, das sich auf jeden blutigen Knochen gestürzt hätte, den die Söhne ihm zuwarfen. Zwei von ihnen hatten ihre Messer gezückt, ein Dritter holte eine Kette unter seiner ledernen Joppe hervor und zog sie drohend hinter sich her wie einen Schwanz. Sie polterte unheilvoll auf den Pflastersteinen der Brücke.
    Orma stellte sich so, dass der Saarantras ihn nicht übersehen konnte, und zeigte auf dessen Ohrringe, um seinen Kameraden daran zu erinnern, was er tun sollte. Aber der Schlupfling rührte sich nicht. Orma berührte einen seiner eigenen Ohrringe und setzte ihn in Gang.
    Drachen-Ohrringe waren ganz erstaunliche kleine Geräte. Man konnte damit sehen, hören und sich über große Entfernungen hinweg unterhalten. Ein Saarantras konnte damit Hilfe herbeirufen, aber auch von seinen Vorgesetzten überwacht werden. Orma hatte einmal seine Ohrringe
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