Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana
Autoren: Thomas Lehr
Vom Netzwerk:
und seine ältere Tochter bei einem Terroranschlag ums Leben die jüngere Tochter die den Reitelefanten so gern mochte überlebte den Anschlag wie durch ein Wunder sie sei Anfang zwanzig und er vermutesie schwanger von einem Studenten der von einer Miliz ermordet worden sei bald werde er sie darauf ansprechen aber sie hätten sich eigentlich schon wortlos verständigt auch dieses mutmaßlichen Kindes in ihrem Bauch wegen (vielleicht noch mehr als wegen der gegen ihn ausgesprochenen ernst zu nehmenden Todesdrohungen) habe er Bagdad verlassen obwohl dort noch ein Großteil seiner Familie lebe unter anderem sein einziger Sohn der im Untergrund verschwunden sei
    hast Du ihm auch etwas von Dir erzählt?
    es schien mir –
    unangebracht willst Du sagen aber warum hat er Dir diesen Bericht erstattet was hat er sich erhofft
    nichts wirklich nichts ich denke es ging ihm nur darum –
    fortzufahren
    ja es ging ihm darum etwas zu formulieren etwas festzuhalten und abzuschließen
    ganz wie Dir oder nicht? als Du die Gedichte von Sabrina vervollständigt hast und als Du Deinen Schmerz niederschriebst anstatt das Buch über Goethes Frauen zu beenden Luisa nimmt die Brille vom Gesicht und klappt sacht die Bügel übereinander wie hießen der Mann und seine Tochter
    Fatima und Machmud
    glaube ich
    tief in der Nacht
    kehrt eine Erinnerung zurück
    sie stammt aus einem glücklicheren Tag in einem anderen Land noch einmal bist Du völlig aufgehoben selbstverständlich heil normal Ihr seid nur zwei Touristen die ein Zufallsgott allein in den Löwenhof der Alhambra schickte leicht berührt Ihr Euch mit den Schultern als Ihr auf die von freundlich wirkenden Löwen getragene Brunnenschale in der Mitte zugeht
    die in alle vier Himmelsrichtungen leitenden schmalen Kanäle die vom Zentrum ausstrahlen schimmern trocken
    noch einen Augenblick lang
    Stille
    Luisas hohe Brust ihre wie unerschütterliche warme Gestalt an Deiner Seite
    die Tränen der Nasriden fielen vor über 500 Jahren eine Reisegruppe strömt herein
    schwarze Tropfen fallen
    aus der Zukunft in den Marmor der Wasserläufe sehr rasch und mehr und mehr bis sich um das Löwenbecken ein Kranz glänzenden Öls gebildet hat und
    entflammt
    ich höre noch (im Feuer als könnte man langsam und ruhig in den Flammen umhergehen wie in einem hohen Maisfeld oder zwischen an Wäscheleinen aufgehängten grell orange und gelb lodernden Seidentüchern) wie Luisa sagt
    immer das gleiche Motto
    der Wappenspruch
    finde sich hundertfach an den Wänden Decken Säulen zwischen Arabesken und Gitterwerk ich sehe ihre weiche Hand mit den schlanken Fingern deren Nägel kirschrot lackiert sind an diesem Tag leicht und vorsichtig berührt sie die kunstvoll in den hellen Stein gemeißelte Schrift und ihre Fingerspitze wandert von rechts nach links
     
     
     
    Wa la ghalib illa-llah
    Es gibt keinen Sieger außer Gott.

 
    Danksagung und Anmerkungen
     
    Der Autor dankt dem irakischen Kulturverein Al Rafedain e.V. in Berlin für die Gelegenheit, eingehende Gespräche über den Irak zu führen. Er ist Frau Prof. Dr. Angelika Neuwirth für die freundliche Einführung in die literarischen Weiten des Nah-Ost-Themas verbunden und Stefan Weidner für seine erhellenden Bücher und so manches ermutigende Gespräch. Ohne den großen irakischen Dichter Fadhil al-Azzawi und sein andauerndes Interesse an meiner Arbeit wäre dieses Buch nicht entstanden.
     
    Die im Text kursivierten Verse und Gedichte sind (soweit nicht gesondert ausgewiesen) Zitate aus nachfolgenden Werken:
     
    Emily Dickinson: The Selected Poems
    Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan
    Omar l-Khajjam: Rubaijat-l-Omar-l-Khajjam, Die Sinnsprüche Omars des Zeltmachers, übersetzt von Friedrich Rosen
    Walt Whitman: Leaves of Grass
    Das Gilgamesch-Epos, übersetzt von Stefan M. Maul
     
    Die als Motto aufgenommenen Verse von Walt Whitman zitiere ich nach der Übersetzung der Grasblätter von Jürgen Brôcan, die Verse von Adonis nach der Ausgabe Adonis: Ein Grab für New York , übersetzt von Stefan Weidner.
    Die englische Version des Gedichts aus dem West-östlichen Divan (»Ach, um deine feuchten Schwingen …«) gebe ich in der Übersetzung von Alfred Browning wieder.
    Hafis’ Verse (»Mein Herzliebster ist ein Kind …«) sind von Friedrich Rückert übersetzt.
    Die Verse von Abu Nuwas und al-Mutanabbi zitiere ich nach Internetquellen (Wikipedia) – weil es für diese großen arabischen Dichter im Deutschen noch nicht einmal brauchbare
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher