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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana
Autoren: Thomas Lehr
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schräg geneigte Metallplatte dahinter ein Gewehrschütze mit Stahlhelm dann ein Soldat
    direkt vor ihr er scheint etwas sagen zu wollen
    löst sich dann aber auf im Gegenlicht oder verwandelt sich in einen Baum hinter dem eine Gruppe von Jungen mit Spielzeugpistolen und Plastiksäbeln hervorspringt Achmed könnte bei ihnen sein er würde genausospringen und mit Waffen prahlen wer erzählte die Geschichte der Jungen denen amerikanische Soldaten Schaufeln in die Hand drückten damit sie sich am Anlegen eines Fußballfeldes beteiligten die aber schon nach wenigen Minuten Arbeit in Tränen ausbrachen weil sie glaubten sie sollten ihre eigenen Gräber ausheben Achmed dein strubbeliger Kopf deine dicken Ärmchen du sitzt auf der Mauer vor den Ginkobäumchen auf der anderen Seite
    liegt die
    GREEN ZONE
    früher igelten sich dort die Paläste des Terrors ein heute findest du die Betonmauern Stacheldrahtwälle Panzersperren der Demokratie all das Versprochene kommt erst wenn die Kriege im Paradies vorüber sein werden (Tarik erzählte ihr von diesem geheimen Buch des Dichters ohne Papier)
    wenn jeder
    die Tigris-Seite wechseln kann wie er will
    das
    ist ihr alter Schulweg hier ging sie so oft neben Tarik und Sami und ihrer Schwester bis zu dem alten Haus dessen Türschloss aufgebrochen ist wo ist Hind vielleicht sollte sie doch besser erst nach nebenan gehen und
    Schemen
    massige Schatten schwarz glitzernde harte Augen das hier ist das war doch die
    Küche deiner Mutter aber jetzt
    es ist schon klar es ist schon dabei zu geschehen was geschehen musste es sind drei Männer steinerne Wölfe sie haben hier gewartet oder sie sind zurückgekommen um die Schränke zu leeren die Stühle umzuwerfen die Matratzen aufzuschlitzen
    wenn du denkst
    du bist nicht hier (unter den Schatten) oder dass es unvermeidlich ist die
    Nacht
    deiner Schwester zu betreten (rede mit mir, Jasmin, dein blaugraues Gesicht) dann musst du vielleicht kaum etwas spüren leg deine goldene Krone ab nimm die Ringe von den Ohren löse die Perlenkette um deinen Hals und die Spangen vor deiner Brust ich schicke
    meine Löwen zu Hind sie ist erst zwölf sie soll beschützt werden bis zum gewaltigen
    Einbruch
    des tatsächlichen und ewigen Friedens erzählte ich Dir (Schwester) von den Frauen die man in den Massengräbern von Ur gefunden hat menschliche Grabbeigaben der König nimmt seinen Harem mit auf
    die andere Seite
    dabei sind wir in dem Haus in dem ich so lange gelebt habe die engen Räume die Stille meiner nachdenklichen freundlichen Familie wird zertrampelt und verwüstet das
    Haus in dem wir leben wollen
    müssen wir selbst wieder errichten (nicht die Amerikaner) sie sind ohnehin gar nicht da weil wir uns ja an ihnen vorbei morden
    ebenso wenig wie die Stein-Menschen die sich im schwarzen Licht auflösen der König Schahriyar war ein Massenmörder er hätte Semiramis heiraten sollen dann gehörte
    UNS
    der nächste Tag schließ die Augen
    in der Tiefe ihres Körpers will sie selbst zu einem Schatten werden den nichts mehr berührt was an der Oberfläche geschieht ist nichts als äußerstes (äußerliches) Unglück aber mit einem Mal steht
    Yusuf
    neben ihr er richtet ein Gewehr auf die Männer er schreit so aufgeregt so wütend so voller Angst wie sie noch nie einen Menschen hat schreien hören und die anderen sprechen nicht widersprechen nicht sondern
    gehen (unwillig und quälend langsam Schatten von Steinen an einer Hauswand die man zu genau beobachtet und die eben aus diesem Grund nur so langsam weichen)
    Yusufs Gestammel ist kaum zu verstehen wie soll sie
    in diesem Zustand
    herausfinden was er meint Sami (versteht sie endlich) lebt und ist nicht entführt worden sondern hat sich versteckt – versteh doch es ist doch allein deine Schuld weshalb bist du so
    verkommen
    diese Briefe
    die Sami schrieb sie begreift nicht sie rafft ihre Kleider über der Brustzusammen sie findet das Kopftuch nicht sie taumelt hinter Yusuf her in den Raum in dem einmal ihre Eltern schliefen weshalb dort welcher Brief sie versteht es erst später als sie das Haus schon wieder verlassen hat und auf das zusammengeknüllte Papier in ihrer Hand starrt es mühsam glättet um fremde Worte in ihrer eignen Handschrift darauf zu finden es sind sehr gut sehr talentiert (seine erstaunliche Kunstfertigkeit) gefälschte Zeilen
    diese Briefe die Sami schrieb
    ein Brief wie aus ihrer Hand an Nabil
    Triff dich ein letztes Mal mit mir, Liebling! Das Haus meiner Eltern steht leer!
    ist
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