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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht
Autoren: Peter Schulz
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Führungshierarchie der Polizei maximal im mittleren Bereich angesiedelt und von daher nicht befähigt sind, eigenverantwortlich größere Einsatzabschnitte selbstständig zu führen. Die Führung des beispielsweise bei einer Geiselnahme entscheidenden Einsatzabschnittes »Tatobjekt«, also des Einsatzabschnittes, der alle polizeilichen Maßnahmen im unmittelbaren Tatortbereich verantwortet und dabei die gesamte Arbeit aller eingesetzten Spezialkräfte koordiniert und führt, wird nicht etwa von einem ausgebildeten SEK-Führer übernommen, sondern von einem Beamten des höheren Dienstes, der in aller Regel keine SEK-Ausbildung besitzt und von seiner für diese Funktion geforderten Voraussetzung auch nicht besitzen muss. Bedenkt man nun, dass dieser Beamte den für den Gesamteinsatz zuständigen Polizeiführer über alle geplanten Maßnahmen der Spezialeinheiten informieren, Zugriffsoptionen erläutern und Rückfragen beantworten muss, so drängt sich die Frage auf: Wie soll das funktionieren?
    Faktisch ist es dann so, dass ein in Fragen der SEK-Taktiken und -Vorgehensweisen in aller Regel nicht ausgebildeter Beamter einen anderen nicht ausgebildeten Beamten über die taktischen Möglichkeiten berät, die er selbst nur vom Hörensagen kennt, die er nicht gelernt und mit deren Anwendung er erst recht keine Einsatzerfahrung hat. Und dies alles in einer womöglich hochbrisanten Einsatzlage, bei der Menschenleben auf dem Spiel stehen! Als Praktiker mit zwei Jahrzehnten Einsatz- und Führungserfahrung in einer Spezialeinheit erscheint mir die jetzige Situation als völlig sachfremd und unverantwortlich.
    Natürlich, so das Argument der Befürworter der jetzigen Lösung, haben die Führungsbeamten des höheren Dienstes eine (beispielsweise in Nordrhein-Westfalen halbjährige!) Fortbildungsmaßnahme als Vorbereitung für ihre jeweilige Tätigkeit durchlaufen. Hierzu muss man jedoch wissen, dass diese Fortbildung die Einweisung in insgesamt vier Spezialbereiche der Polizei beinhaltet (SEK, MEK, VG, TEG). Ein halbes Jahr für vier Spezialbereiche! Zum Vergleich: Die Ausbildung der »einfachen« Angehörigen einer jeden dieser einzelnen Einheiten erstreckt sich jeweils über mindestens ein Jahr. Ferner ist diese Fortbildung für höhere Sphären in keiner Weise mit einer wie auch immer gearteten Prüfung verbunden, die möglicherweise erkennen lässt, ob der Beamte überhaupt für diese Führungsaufgabe geeignet ist. Wiederum zum Vergleich: Bei der einjährigen Grundausbildung der regulären SEK-Beamten (nicht Einsatzführer!) liegt die Durchfallquote bei etwa 70 Prozent. Und dann muss ein glücklicher Absolvent, bevor er als Einsatzbeamter und Novize einer Einheit zugeteilt wird, noch einmal mindestens drei Jahre an Einsatzerfahrung sammeln, bevor er in jeder Einsatzlage an jeder Position bedenkenlos eingesetzt werden kann.
    So viel zur Qualifikation der höheren Führungsbeamten nach ihrer halbjährigen »Einweisung«.
    Ein weiteres Argument der Befürworter der jetzigen Lösung ist, dass der höhere Führungsbeamte sich in brenzligen Situationen ja immer durch einen SEK-Einsatzführer »beraten« lässt. Dazu zweierlei:
    Wenn der verantwortliche Führungsbeamte wegen fehlender Fachkompetenz zwingend auf die Beratung eines SEK-Führers angewiesen ist – wieso erklärt man dann nicht direkt Letzteren zum verantwortlichen Einsatzleiter?
    Ferner geht die höhere Polizeiführung davon aus, dass so eine Beratung tatsächlich auch immer erfolgen kann. Die Einsätze von Spezialeinheiten sind aber oft gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich plötzliche Lageänderungen ergeben können, die eine sofortige Entscheidung verlangen, eine Entscheidung, die keinen Aufschub duldet. Da kann dann nicht erst der verantwortliche Führer der Spezialeinheiten ohne Spezialausbildung (!) durch einen SEK-Führer beraten werden, da kann auch nicht darauf gewartet werden, bis dieser einen Vorschlag abnickt, weil jede Verzögerung möglicherweise das Leben unschuldiger Menschen gefährdet. Zumal er die Tragweite einer solchen Beratung ja sowieso häufig nicht in Gänze überblicken kann, da ihm die Ausbildung und Erfahrung dazu fehlen.
    Nehmen wir doch nur eine sogenannte Bedrohungslage, eine der häufigsten Anlässe für SEK-Einsätze. Bei der Bedrohungslage handelt es sich zumeist um eine Situation, in der ein Mann seine Familienangehörigen bedroht, gegen ihren Willen festhält, misshandelt oder sogar im Laufe dieses Geschehens tötet. Wenn das
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