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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
Autoren: Janine Binder
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ich bereits die letzten beiden Nächte gemeinsam Streife gefahren bin und der jetzt irgendwas von arbeitsgeilen jugendlichen Kolleginnen murmelt, die ihm ständig Arbeit einbrocken und ihn von seinem Filmvergnügen abhalten.
    Als wir durch die Nacht rasen, taucht plötzlich hinter uns ein Blaulicht auf, und der Funk knistert. »Wir lassen euch nicht allein, wer weiß – vielleicht schwebt ja schon die Todeswolke über der Autobahn und will euch holen … uuuuahauuuu …«
    Lachen, dann Stille. Als der Streifenwagen uns eingeholt hat und rechts neben uns herrast, winke ich nach rechts, und der Kollege des anderen Streifenwagens tritt noch mal aufs Gas und fliegt an uns vorbei. Ein Wettrennen bricht los. Immer wieder überholen wir uns, reißen Witze über den Zwei-Meter-Funk (den können bei der Autobahnpolizei nur die Streifenwagen hören, die sich in der näheren Umgebung befinden) und machen uns über die nahende Todeswolke aus dem Film lustig.
    Trotz hoher Geschwindigkeit und Blaulicht sind wir fast zwanzig Minuten unterwegs, bis auf dem ersten Schild die Kilometrierung unseres Ziels auftaucht. Doch noch sind wir auf der falschen Seite der Autobahn und müssen erst an der nächsten Ausfahrt oder dem nächsten Rastplatz drehen, um an den Ort des Geschehens zu gelangen.
    Vor uns taucht plötzlich eine Rauchsäule auf. Ich glotze nach vorn und greife zum Funk. »Da brennt was!«
    Die Leitstelle antwortet leicht genervt: »Kann nicht sein, davon wissen wir nichts.«
    »Na und? Hier brennt was«, entgegne ich ebenso genervt, »ihr müsst ja nicht immer alles zuerst wissen!«
    »Dann macht hin und schaut nach, was da los ist.«
    Aus dem Streifenwagen neben mir trifft mich der erschrockene Blick des Kollegen. Über den internen Funk kommen keine Witzchen mehr.
    Thomas stiert nach vorn und würde vermutlich am liebsten das Bodenblech durchtreten, wenn wir dadurch schneller würden. Wir fliegen förmlich an der Unfallstelle vorbei. Gerade will ich erleichtert aufatmen, weil ich sehe, dass Notarzt und Feuerwehr schon da sind, da gibt es genau in dem Moment, als wir auf Höhe der Rauchsäule sind, einen Knall. Ich sehe nur noch Feuer und Funken. Mein Kollege im anderen Wagen verreißt vor Schreck das Steuer und schleudert vor uns herum. Zum Glück fängt er den Wagen wieder ab und rast weiter. Ich gebe den Stand der Dinge an die Leitstelle durch, die mir irgendwie immer noch nicht zu glauben scheint.
    Wir rasen auf den nahen Rastplatz und schleudern durch eine Kurve auf den Wirtschaftsweg, der unter der Autobahn durchführt, sodass wir auf die andere Seite gelangen können. Der Streifenwagen dreht sich fast, als wir wieder auf die Autobahn auffahren, aber Thomas greift in seine Tasche und zündet sich erst mal eine Kippe an, während er weiter Gas gibt.
    Vor uns Stau. Trotz der Kälte stehen die Leute auf der Straße und sehen uns mit einem stumpfen Gesichtsausdruck entgegen. Keiner steht uns im Weg, alle sehen uns nur an. Ich schlucke, um das unbehagliche Gefühl zu vertreiben, das in mir aufsteigt. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht.
    Thomas rutscht unruhig auf seinem Sitz hin und her, während wir uns einen Weg durch die Fahrzeugkolonnen bahnen. Vor uns taucht Blaulicht auf, und Flammen schlagen aus einem Lkw-Anhänger, der quer über allen drei Fahrspuren liegt.
    Der Kollege hält, und ich öffne die Tür, um auszusteigen, als der Notarztassistent zu mir hinjoggt und mir mit ernstem Gesicht erklärt: »Zweimal Ex, sind noch im Auto, wir kommen nicht ran, wegen der Flammen.«
    Verständnislos gucke ich ihn an. Ich bin noch nicht lange genug dabei, um zu verstehen, was er mir gerade mitgeteilt hat. Thomas seufzt und lässt sich wieder auf seinen Sitz fallen, während er mir erklärt, was die Worte des Arztes bedeuten: Es hat zwei Tote gegeben.
    Da wir im Moment eh nicht viel tun können, geben wir erst mal alles an die Leitstelle weiter und lassen die Szenerie auf uns wirken. Vor uns Flammen, neben uns Hektik. Auf dem Seitenstreifen liegt ein Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, in warme Decken gepackt, und wird verarztet. Ihre Haare sind schwarz verbrannt, verklebte kurze Büschel der offenbar vorher langen braunen Locken stehen vom Kopf ab, und ihr Gesicht ist rußverschmiert. Sie spürt meinen Blick und sieht mich ebenfalls an, während drei Sanitäter und der Notarzt um ihren linken Arm herumsitzen und fleißig mit irgendwelchen medizinischen Gerätschaften hantieren.
    Sie wirkt auf mich so verloren, deshalb
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