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Sein mit Leib und Seele - Band 09

Sein mit Leib und Seele - Band 09

Titel: Sein mit Leib und Seele - Band 09
Autoren: Olivia Dean
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besser so. Ich blicke zum Sessel, der nun leer ist und auf dem noch der Abdruck des schweren Körpers zu sehen ist. Ich verstehe es nicht.
    Später gehe ich wie ferngesteuert ans Telefon. Charles.
    „Emma?“
    „Ja.“
    „Wir können so nicht weitermachen.“
    „…“
    „Hörst du mich?“
    „…“
    „Verstehst du, was ich sage?“
    „Mein Vater …“
    „Es ist besser, dass du ein wenig bei ihm bleibst. Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, ohne dich zu verletzen, aber wir beide … Es ist zu kompliziert. Wir müssen das beenden.“
    „Du …“
    „Es ist vorbei, Emma.“
    „Vorbei?“
    „Ja.“
    In meiner Schule gab es dieses große Mädchen. Nancy. Sie litt unter einer Krankheit namens Angeborene Analgesie. Sie konnte keinen Schmerz empfinden. Sie konnte sich ein Bein brechen, sich eine Verbrennung dritten Grades zuziehen, sie spürte nichts. Unter uns sagten wir, sie hätte Superkräfte. Sie ist an einer Blutung gestorben, als sie Gemüse schnitt, ein dummer Unfall. Ich weiß nicht, warum ich gerade jetzt an sie denken muss. Vielleicht, weil ich gerade auch keinen Schmerz verspüre. Ich würde gern weinen, schreien, mich auf dem Boden wälzen, aber ich bleibe, wo ich bin, auf dem Sofa vor dem Fernseher, den niemand ausgeschaltet hat. Gibt es so was wie eine Gefühlsanalgesie?
    Wie lange habe ich hier gesessen? Keine Ahnung. Ich sehe, dass mein Telefon zum dritten Mal klingelt, als ich mich endlich entschließe ranzugehen.
    „Mademoiselle Maugham?“
    „Ja.“
    „Grégoire Leclerc, erinnern Sie sich an mich?“
    „Nein.“
    „Der ermittelnde Inspektor. Der Tod von Alice Duval, erinnern Sie sich?“
    „Zu viele Tote …“
    „Finde ich auch. Habe ich Sie geweckt? Entschuldigen Sie, dass ich Ihren Familienurlaub störe, aber ich untersuche diese Morde …“
    Mir fielen nicht mehr genug französische Worte ein, um ihn zu beschimpfen, aber ich habe ihm alles ins Gesicht geschrien, den Tod meines Vaters und seinen „kleinen“ Schwächeanfall, Charles’ Unbeständigkeit, den Krieg mit Alice, Guillaumes Lügen … Ich weiß nicht mehr, wie lange ich ihn angeschrien habe. Er hat irgendwann das Gespräch beendet.
    „Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass Sie nicht mehr unter Verdacht stehen und dass Sie besser jeden Kontakt mit dem Hauptverdächtigen vermeiden, aber dieser Mistkerl war wohl schneller.“
    Ich lege wortlos auf und schlage die Garagentür zu. Ich habe Lust zu rasen.
    Wo ist dieser verdammte Schlüssel? … Steckt noch, natürlich.
    Ich habe die Garage nicht verlassen. Als ich den Schlüssel herumdrehte, sprang die Kassette an.
    Scheißcountrymusik.
    Der leichte Geruch nach kaltem Tabak hat mich ergriffen und endlich meine Tränen gelöst, die ich viel zu lange zurückgehalten hatte.
    Mein Vater ist tot. Charles hat mich verlassen. Ich war verdächtig. Scheißmantra.
    Der Tag bricht an, ich sehe, wie die Sonnenstrahlen versuchen, mich durch die Garagentür hindurch zu erreichen. Ich bin nicht in Stimmung für einen neuen Tag, ich will Dunkelheit, ich will schlafen.
    Mein Zimmer. Die Post auf meinem Bett formt einen lächerlichen kleinen Haufen. Zeitschriften, die niemand mehr lesen wird, Rechnungen, Werbung … Ein Paket aus Frankreich. Manon. Ich reiße es auf, als enthielte es die Lösung für alle meine Probleme. Süßigkeiten und ein Buch. Ich pfeffere es auf den Boden und stopfe die Süßigkeiten mit vollen Händen in mich hinein. Da ist auch ein offizielles Schreiben von einem Notar. Das mich „hiermit“ darüber informiert, dass ich ab sofort die „Bevollmächtigte Direktorin von Delmonte Inc.“ bin. Ich weigere mich, mich mit diesem neuen seltsamen Kram zu befassen. Ist mir egal, was es bedeutet. Wenn das lustig sein soll, ist es ein ziemlich mieser Scherz. Meine Finger kleben, ich will einfach nur schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag.

5. Entdeckungen
    Ich muss aufstehen, um aufs Klo zu gehen. Eine ganz banale Sache, die mich daran erinnert, dass ich am Leben bin, aber als Einzige in diesem Haus. Als ich zurückkomme, dient mir der Schmerz als Gedächtnisstütze.
    Verdammtes Buch, ich hätte es auf den Schreibtisch legen sollen.
    Rebecca
, ein Klassiker, den ich natürlich noch nicht gelesen habe. Selbst über Tausende von Kilometern hinweg kümmert sich Manon um meine literarische Bildung. Ich öffne es, während ich meinen schmerzenden Fuß reibe. Sie hat mir eine schöne Ausgabe geschickt, mit einem dicken Einband aus Leder … und einem Umschlag
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