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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G
Autoren: Håkan Nesser
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aus, von der er annahm, dass sie am weichsten war. Wenn ich schon mein eigenes Grab buddeln muss, dachte er, dann will ich mich nicht auch noch mit jeder Menge Wurzeln und Steinen herumquälen. Das wäre… unwürdig.
    »Linden«, erinnerte er sie und stieß den Spaten in die Erde.
    Sie setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm, zwei Meter von ihm entfernt, und zündete eine Zigarette an – genau wie beim letzten Mal nur mit einer Hand und ohne ihn auch nur eine Sekunde mit dem Blick oder der Pistole aus den Augen zu lassen.
    »Was willst du wissen?«, fragte sie.

49
    Rooth wurde von den Kirchenglocken geweckt.
    Zumindest glaubte er – eine schöne, hoffnungsvolle Sekunde lang –, dass es Kirchenglocken waren. Er hatte von seiner eigenen Hochzeit mit einer sanft olivfarbenen Frau namens Beatrice geträumt – sie hatte ziemlich viele Züge mit seiner alten Klassenkameradin aus dem Gymnasium, Belinda Freyer, gemeinsam, in die er verliebt war, so lange er sich erinnern konnte – und irgendwann während der Zeremonie, mit brechend voller Kirche, jubelnden Engelchören und der Braut in Weiß, da klingelte das Telefon.
    Er tastete über den Nachttisch, schaltete eine Lampe an und stellte fest, dass es nicht später als 6.15 Uhr war.
    Wer zum Teufel ruft denn um Viertel nach sechs Uhr morgens an?, dachte er.
    Und was bedeutet es bitte schön, wenn man um diese Uhrzeit von Kirchenglocken träumt?
    Er stellte fest, dass das Telefon hinten auf dem kleinen Schreibtisch stand. Er warf die Bettdecke zur Seite und stand auf, und genau in dem Moment, als er gleichzeitig Münsters Stimme im Hörer vernahm und sein eigenes kreideweißes Gesicht im Spiegel über dem Tisch erblickte – genau in dieser winzigen Sekunde –, fiel ihm das fehlende Glied ein, das er seit ein paar Tagen im Hinterkopf hatte.
    Dieses Detail.
    Es wurde ihm schwarz vor Augen.
    »Warte mal eben«, sagte er zu Münster.
    Er beugte sich vor und kam wieder ins Gleichgewicht.
    »Was ist denn mit dir?«
    »Tut mir Leid«, sagte Rooth. »Mir war nur eben schwindlig. Ich bin wohl zu schnell hochgekommen…«
    »Ach so«, sagte Münster. »Ja, ich weiß, es ist noch verdammt früh, aber wir haben ein Problem.«
    »Was?«, fragte Rooth. »Ein Problem?«
    »Van Veeteren ist nicht in Maardam angekommen. Es scheint… ja, es scheint, als wäre ihm etwas zugestoßen.«
    Rooth starrte erneut sein eigenes Gesicht an. Es war kein schöner Anblick, aber in diesem Moment war ihm das gleich.
    »Der Hauptkommissar?«, fragte er nach. »Ist nicht nach Hause gekommen? Was sagst du da?«
    »Bausen hat vor einer Viertelstunde angerufen«, fuhr Münster fort. »Er hat mit Ulrike Fremdli in Maardam gesprochen… es muss etwas passiert sein. Er ist gestern kurz nach Mittag hier losgefahren, alle Krankenhäuser und so sind schon überprüft worden. Er ist… ja, ganz einfach verschwunden.«
    Rooth spürte, wie die Synapsen in seinem Gehirn einander suchten. Das war ein Graben und Wühlen nach Zusammenhalt. Van Veeteren verschwunden… und dann diese plötzliche Einsicht dahingehend, was er gesehen hatte, dessen Reichweite er aber nicht sofort begriffen hatte…
    Konnte das…?
    Warum sollte…?
    Das Graben und Wühlen hielt inne und zeigte eine Botschaft.
    »Verdammter Scheiß«, sagte er. »Lass mich einen Moment nachdenken… ich glaube, ich bin da auf was gekommen.«
    »Auf was gekommen?«
    Münster klang zweifelnd.
    »Ja.«
    »Dann sieh zu, dass du es ausspuckst! Das hier ist langsam wie… ich weiß nicht, womit ich es vergleichen soll.«
    »Komm in zwei Minuten zu mir, dann werde ich es dir erklären«, sagte Rooth. »Verdammte Kacke!«
    Anschließend legte er auf und überprüfte noch einmal seine Gesichtsfarbe im Spiegel.
    Machte dann eine äußerst kurze Morgentoilette und zog sich an.
    »Mir ist übel«, sagte Münster. »Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich kann kaum sagen, ob ich träume oder wache.«
    »Zumindest bist du angezogen«, sagte Rooth. »Dann können wir doch erst einmal davon ausgehen, dass wir beide wach sind.«
    »Okay. Was war das also, worauf bist du gekommen?«
    Rooth knöpfte umständlich sein Hemd zu und zog sich die Schuhe an, bevor er antwortete. Münster betrachtete ihn ungeduldig. Überlegte eine verrückte Sekunde lang, ihm dabei zu helfen, ließ es dann aber doch bleiben.
    »Frau Nolan«, sagte Rooth. »Da stimmt was nicht mit Elizabeth Nolan.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich habe dir doch erzählt, dass da irgendwas in meinem Hinterkopf war,
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