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Seidendrachen

Seidendrachen

Titel: Seidendrachen
Autoren: Carol Grayson
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stabilisieren und zu vergrößern. Reichtum bedeutete Macht. Macht bedeutete Unabhängigkeit von einem Herrscher. Diese waren oft genug auf die Reichen des Landes angewiesen, um überhaupt regieren zu können! Das Gold bestimmte letzten Endes doch die Politik eines Landes! Dennoch, den König zu hintergehen war ein gewagter Plan.
    „Gut, macht den Jungen und Euch reisefertig. Je eher wir unseren eigenen Plan in die Tat umsetzen, desto besser.“ Simon verabschiedete sich und machte sich auf den Weg, um seinen kleinen Schützling auf dessen große Aufgabe bei Hofe vorzubereiten.
    Hoffentlich spielt dieser Jarin diesmal mit. Ich muss es nur geschickt anfangen, dachte er auf seinem Weg zur Kammer des Jungen. Akios Augen leuchteten auf, als er von dem Pater die Anweisung des Königs hörte. Er durfte in einem Palast arbeiten! Selbst wenn er nach wie vor das Eigentum eines anderen Menschen war, so war dies doch schon eine deutliche Verbesserung zu dem tristen Gefängnis seines Vorbesitzers. Das Leuchten seiner Augen verstärkte sich noch, als er hörte, dass Jarin in Zukunft sein Beschützer sein würde. Dieser große, hellblonde Junge mit den breiten Schultern und den strahlend blauen Augen war so völlig anders als alle Gleichaltrigen, die er bislang kennengelernt hatte. Er kam ihm fast wie ein Gott vor.
    Vom ersten Augenblick war dieses Gefühl von Zuneigung und Bewunderung in ihm gewesen. Und diesen ersten intimen Kontakt im Bad hatte er nicht vergessen. Jarin musste auch etwas für ihn empfinden. Da war er sicher. Sein Glaube verbot diese Empfindungen jedoch! Auch das war Akio bekannt. Der Jesuit hatte ihn auf der langen Reise von China bis hierher vieles gelehrt. Jetzt konnte er es kaum abwarten, erneut auf eine Reise zu gehen. Zum König von Frankreich, dem er fortan dienen würde! Und zu Jarin, für den er mehr als nur brüderliche Liebe empfand. Doch im Gegensatz zu dem Europäer war Akio bereit, diese Empfindungen zuzulassen und zu leben.
     
    *
     
    Der Dienstbotentrakt befand sich im ältesten Teil des Schlosses. Von da aus führte ein weiterer Trakt zum eigentlichen Palast. In diesem Flügel waren die Arbeitsräume der Schneider, Hutmacher, Kunstschmiede und anderer Handwerker untergebracht.
    Hier hatte man ein großes, helles Atelier hergerichtet, in dem Akio von nun an arbeiten würde. Eine Front dieses Raumes bestand nur aus Fenstern, die bis zur Decke reichten. Direkt daneben befand sich sein Schlafraum. Für seine Begriffe war dieser prunkvoll eingerichtet, kannte er doch nur graue Mauern um sich herum. Dass hier die Wände verputzt und mit Bildern geschmückt waren, erstaunte ihn. In China waren nur die Wände der Tempel bemalt. Neben seinem Zimmer lag Jarins Schlafzimmer. Dieser trug bereits die Uniform der Wache. Obwohl er allein für Akios Schutz abgestellt worden war, unterstand er immer noch dem Hauptmann de Vervier . Seit jenem Vorfall im Park wich er ihm aus, so gut es ging. Aber wie sollte man auf Dauer seinem Vorgesetzten ausweichen? Zumindest konnte er von jetzt an dafür sorgen, dass er nicht mehr mit Nicolas de Vervier allein sein musste! Warum hatte er dann bloß das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
    Akios Eintreffen im Schloss schien Jarin aus seiner inneren Erstarrung zu reißen. Sie begrüßten sich bei dessen Ankunft freundlich, aber distanziert, nur ihre Blicke sprachen Bände. Blicke, die nur von einem einzigen richtig interpretiert wurden. Nicolas!
    Der Gardehauptmann stand nur wenige Meter weit weg, als sich die ungleichen jungen Männer nach langer Zeit wiedersahen. Der Capitaine spürte, wie die Eifersucht in ihm zu gären begann. War dieser androgyne Künstler der Grund, warum Jarin seine Zuneigung verschmähte?
    Am nächsten Morgen fing der Gardehauptmann Jarin in einem der langen, mit Bildern geschmückten Palastgänge ab. Weit und breit war niemand zu sehen. Nicolas trauriger und dennoch fordernder Blick sprach Bände.
    „Bedeutet dir ein heidnischer Maler so viel, dass du uns keine Chance geben willst?“, fragte er seinen Untergebenen geradeheraus. Dieser blickte schuldbewusst zu Boden. Was sollte er darauf antworten? Dies ist keine Liebe, die von den Christen akzeptiert wird. Natürlich wusste er auch, dass diese offiziell verurteilte Neigung vor allem im Adel durchaus gang und gäbe war. Andererseits wollte er Nicolas nicht verletzen. „Wenn du mich nicht so überrumpelt hättest…“, suchte er nach einer Erklärung.
    Nicolas schnaubte verächtlich. „Wenn du nicht
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