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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
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nicht. Irgendwo drüben verbarg sich etwas! Alebin konnte es nicht ausfindig machen, doch er spürte, dass da jemand war. Manchmal überlief ein unangenehmes Kribbeln seine Elfenhaut, wie von fremdem Atem.
    Ich muss wirklich einen Platz für die Nacht finden. Einen sicheren Platz!
Prüfend blickte Alebin zum Himmel. Noch war es hell, von Dämmerung keine Spur. Allerdings mischte sich ein erstes Rot in das Gold der Herbstsonne, und das bedeutete, dass seine Zeit nur begrenzt war. Also verdrängte er seine Schmerzen und beschleunigte seine Schritte.
    Wenn ich wenigstens wüsste, wo ich bin!
    Viehweiden kamen in Sicht, teils mit Stacheldraht und teils mit Eisenstangen umzäunt. Alebin entdeckte ein paar Rinder auf dem abschüssigen Gelände – dunkelbraune Bullen, um genau zu sein. Als er in einiger Entfernung an ihnen vorbeiging, wandten sie träge die Köpfe und blickten zu ihm herüber. Aus großen, sanften Augen, die den Eindruck einer vollkommenen Blödheit vermittelten. Man musste glauben, es wäre ihnen alles egal – außer dem Gras, auf dem sie herumkauten. Spuckefäden baumelten von ihren Mäulern und glitzerten widerwärtig harmlos in der Sonne.
    Dann tauchte ein handgeschriebenes Schild auf.
Dozmary Pool
, las Alebin und nickte erfreut. Das klang nach Großbritannien! Vielleicht war er ja in Schottland gelandet, wo es ganz hervorragenden Whisky gab.
Den könnte ich jetzt gut gebrauchen! Am besten gleich ein ganzes Fass voll!
    Der rothaarige Elf schluckte begierig. Über seine körperliche Erschöpfung und den emotionalen Ausnahmezustand hatte er gar nicht gemerkt, wie durstig er war. Hunger hatte er auch, aber dieser Durst …
    Etwas glitzerte hinter den Weiden.
    »Ein See!«, flüsterte Alebin erstaunt. »Dozmary Pool ist ein See! Wunderbar! Hinein mit mir!«
    Rechts vom Weg lief ein Pfad zwischen den Weiden her, geformt aus Hufabdrücken und zertrampeltem Gras. Kuhfladen lagen darauf verteilt, um die Schmeißfliegen eifrig summten. Der Pfad führte schnurstracks hinunter zum See.
    »Auf geht’s!«, sagte Alebin vergnügt und wandte sich ihm zu.
    Die Bullen unterbrachen ihr Kauen.
    Alebin setzte sich in Bewegung.
    Die Bullen auch.
    Er merkte es nicht, denn die tückischen Teufel verstanden ihr Handwerk, wie so mancher Tourist zu bestätigen gewusst hätte. Wer immer den Pfad zwischen den Weiden betrat, den erfasste die magische Ausstrahlung des Sees, und er verlor sein ohnehin nur schwaches Interesse an den Rindviechern rechts und links. Ein Fehler, fürwahr! Und was für einer! Die Farmer aus der Gegend waren jedes Mal perplex, wenn ihn jemand beging und sich anschließend beschweren kam. Wo es Viehweiden gab, da gab es auch immer ein Tor, das nicht richtig zu war. Das wusste doch jeder.
    Alebin hätte dem Dozmary Pool widerstehen können – das unheimliche Gewässer hatte keine Macht über Elfen. Doch er war nicht auf der Hut, denn er hatte Durst, und so wanderte auch er den Pfad hinunter. Humpelnd zwar, aber ohne Zögern. Einmal blickte er flüchtig zu den Bullen. Sie trotteten in die entgegengesetzte Richtung, weg vom Ufer.
    Still lag das Gewässer im Herbstsonnenschein: Dozmary Pool, ein überraschend kleiner See in flacher Landschaft, mit nichts als ein paar einsamen Büschen an seinem Gestade. Er sah so harmlos aus wie die Bullen auf den Viehweiden. Seine glitzernde, glatte Oberfläche spiegelte sich in Alebins Augen, als der Elf das Ende des Pfades erreichte.
    »Guck mal. Da geht jemand zum See!« Hannah König griff nach ihrem Begleiter, hielt ihn zurück und wies auf das ferne Ufer.
    »Meinen Segen hat er. Aber ich gehe da nicht hin«, murrte Bastian. Mehr als einen flüchtigen Blick hatte der frischgebackene Ehemann für die einsame Gestalt zwischen den Viehweiden nicht übrig. Bastian taten die Füße weh, und er wollte zurück ins Hotel. Auf dem schnellsten Weg – und der führte nicht über den Dozmary Pool!
    »Ach komm, sei nicht so trantütig.« Hannah schloss ihn temperamentvoll in die Arme, bedeckte sein Gesicht mit Schmuseküssen. So bettelnd. So süß.
    Bastian roch den Wind in ihren langen blonden Haaren und die Herbstsonne. Er lächelte innerlich. Hannah war eine tolle Frau – modern, lebendig, aufgeschlossen – und doch voller Geheimnisse und Widersprüche. Nicht zu durchschauen, zumindest niemals ganz. Sie mochte romantischen Kerzenschein genauso wie ihr schweres Motorrad, wohnte mitten in Köln und liebte die Natur, las Brecht und träumte von Elfen. Bastian konnte es noch
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