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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
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sich befreien und fliehen aus einer Brust, die zum Tode verurteilt war.
    Angst begleitete Alebin in die Dunkelheit. Sie ließ ihn vorübergehend vergessen, dass er gar nicht sterben konnte. Sie gab ihm die Kraft weiterzukämpfen.
    Die Atemnot wurde unerträglich. Alebin brauchte Sauerstoff, es ging nicht anders. Er wusste, dass er nichts als Wasser in die Lungen bekäme, und dennoch verspürte er den Drang, den Mund zu öffnen. Er
musste
einfach! Unter ihm tauchte etwas Rätselhaftes auf. Etwas, das nur Elfenaugen sehen konnten: schwarzes Licht, das keine Helligkeit ausstrahlte. Es lag horizontal im See, dünn und alles bedeckend. Wie eine Haut.
    Oder eine Grenze.
    Alebin glitt durch sie hindurch, just als der Drang zu atmen übermächtig wurde. Ein Schwall aus Blasen rauschte empor, sobald der Elf die längst verbrauchte Luft ausstieß. Im Reflex riss er den Mund auf und holte Luft, wo keine war. Wasser quoll in seine Lungen.
    Es war still in der Tiefe. So kalt, so … eigenartig. Alebin hatte das nutzlose Schwimmen aufgegeben, ließ sich treiben und sann darüber nach, ob er nun tot war. Er atmete immerhin nicht mehr. Aber seine Sinne funktionierten noch – und sie meldeten ihm etwas Rätselhaftes. Da waren Spuren elfischer Aktivitäten ringsum; in der Nähe musste es einmal ein verborgenes Tor gegeben haben. Die spitzohrigen Weltenwanderer benutzten es offenbar schon lange nicht mehr, und was noch an alten Aurenfragmenten vorhanden war, wurde längst von etwas anderem überlagert.
    Deutlich spürte Alebin eine fremde Präsenz im Wasser. Sie war überall und gleichzeitig nirgends, und sie musste etwas mit dem dunklen Licht zu tun haben – der schwarzen Schranke, die waagerecht im See lag. Erst dort hatte sie sich bemerkbar gemacht.
    Elfen sind das nicht!
, dachte er, und seine Kopfhaut begann zu kribbeln, als würde sie von innen ein Schauer überlaufen.
Annuyn vielleicht? Könnte hier eine Grenze sein?
    Grenzen gab es an den seltsamsten Orten, es wäre also möglich. Allerdings war das Totenreich nicht dafür bekannt, etwas auszustrahlen, was sich wie Leben anfühlte. Außerdem roch es dort nicht nach Angst.
    Wieso kann ich unter Wasser riechen?
, wunderte sich Alebin, während er an einer merkwürdigen Gesteinsformation entlangglitt. Sie sah aus wie ineinander verschlungene, kantenlose Felsstücke und war an einem Ende mit dunklem Schilf bewachsen, das in der schwachen Dünung wogte. Alebin fragte sich gerade, was Schilf so tief im See zu suchen hatte, da klappte unter dem Gewirr aus langen Halmen ein Augenpaar auf.
    »Ha!«, stieß der Elf erschrocken aus, zusammen mit ein paar Luftbläschen.
    Sie waren nichts im Vergleich zu dem, was im nächsten Moment durchs Wasser zog. Etwas löste sich aus dem steinernen Gebilde. Verschlungene Teile strebten auseinander, und das Schilf entpuppte sich als Haare auf einem Kopf.
    Schlangengleich schoss das Wesen heran. »Verrrrschwinn-de!«, rief eine Stimme, so dunkel und tief wie das Grab. Ein rauschender Luftschwall begleitete die Worte, hüllte Alebin ein und gluckerte an ihm entlang nach oben.
    War er etwa auf einen Wassergeist gestoßen? Die blieben meist harmlos, und entsprechend verebbte das Entsetzen des Elfen. Stattdessen ließ Alebin seiner Empörung freien Lauf.
    »Hast du sie noch alle?«, schrie er aufgebracht. »Du hättest mich fast zu Tode erschreckt!«
    »Oh, erspare mir deinen Spott!«, höhnte das Wesen. Bodensedimente wirbelten auf, als es seinen Platz verließ und zurückwich. Sein Körper zerfranste an den Rändern, und man konnte den Grund des Sees hindurchschimmern sehen.
    »Spott? Was meinst du damit?«, fragte Alebin irritiert.
    Hatte es überhaupt einen Körper? Dem Elfen kamen Zweifel. Die menschenähnliche Gestalt war vielleicht nur Tarnung. Aber wozu brauchte es sie in der Einsamkeit der Tiefe? Und warum roch dieses Wesen so nach Angst?
    Das ist kein Wassergeist!
, dachte er beunruhigt und schob die Frage hinterher: »Wie heißt du?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Aber du musst doch wissen, wie du heißt!«
    »Muss ich das?«
    »Ja, natürlich. Ohne Namen ist man ein Niemand. Wenn dich einer sucht – wie soll er dich je finden?«
    »Gar nicht.«
    Alebin runzelte die Stirn. Das Wesen wandte ihm den Rücken zu und wühlte mit beiden Händen im Schlamm. Fieberhaft, wie es schien. »Du redest nicht gern, was? Wonach suchst du da?«
    Der Geist fuhr herum. Druckwellen erfassten Alebin und ließen ihn schaukeln. Eine Faust reckte sich ihm entgegen. Sie
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