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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Autoren: Michael Jürgs
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Aktionärsversammlung aller Blöden sogar eine recht laute Explosion wie die von Marcel Reich-Ranicki ausgelöste bei derVerleihung der Deutschen Fernsehpreise. Aber kaum hatte sich der Qualm verzogen, versorgte man die Verletzten, kauften Blödmacher bei internationalen Fernsehsendern und Buchverlagen neue Munition mit einem noch höheren, dem Zug der Zeit entsprechenden Dummie-Faktor ein, gaben sich nationale Bauernfänger besondere Mühe, ihre Verluste auszugleichen und die Weichen neu auf Wachstum zu stellen, indem sie ihren Knechten, den Zeitungshändlern, einen Gutschein über zwölf Ausgaben der »Bild«-Zeitung zum Preis von zehn Ausgaben anboten.
    Die anderen rüsten also auf. Das ist okay. Das ist ihr gutes
Recht. Sie wollen das Feld nicht räumen, sondern ihren Einfluss ausdehnen. Sie haben einzelne Sumpfgebiete entwässert und Schienen verlegt. Sie haben moderne Schnellzüge angeschafft und Fahrpläne drucken lassen. Sie haben ihre Helden als Lokführer dienstverpflichtet und Personal engagiert. Sie lassen an jeder baufälligen Station in der Provinz halten, im Osten wie im Westen. Sie sammeln ihre Truppen auf und ein.
    Wo wollen die alle hin? Was haben die vor?
    Ihr Ziel ist ein Bahnhof an der offenen Grenze zur deutschen Kulturlandschaft. Dort sollen sie aussteigen und sich dann, aus taktischen Gründen schweigend, um nicht enttarnt zu werden, also das Maul haltend, unter die wartenden Reisenden mischen. Ihr Auftrag lautet, mit denen und dem nächsten Zug in die Hochburgen der Kultur zu fahren und dort vor Ort Untergrundzellen der Blöden zu gründen.
    Wie ließe sich ein solcher Schachzug der Blöden am wirksamsten kontern?
    Vielleicht durch einen die Gegner überraschenden Gegenzug.
    Zunächst muss die in der Überschrift gestellte Erich-Kästner-Frage beantwortet werden, wo denn verdammt noch mal das Positive bleibe. Simple Antwort:Was lange gärt, wird nicht nur Wut, es macht auch Mut. Nach dem trotzigen »Yes, we can«-Vorbild des in den Vorwahlen gegen Hillary Clinton als chancenlos angesehenen Barack Obama, inzwischen nach seinem Sieg Welthoffnungsträger, sind wehmütige Resignation und Sichfügen ins Unvermeidliche und von Schwermut gespeiste Verzweiflung über die Vergeblichkeit allen Trachtens keine erlaubte Optionen. Was der gebildete Außenseiter in den nicht flächendeckend von Intellektuellen bevölkerten Vereinigten Staaten schaffte, müsste in deutschen Seichtgebieten auch hinzukriegen sein.
    Mit einer Kulturrevolution?
    Wahnsinn. Das kann schon deshalb nicht gelingen, weil in diesem Wort gleich zwei Bestandteile enthalten sind, die sowohl Normalblöde an sich wie auch Deutsche als solche fremdeln lassen – die beiden Fremdwörter »Kultur« und »Revolution«.Welche zutiefst abschreckende Wirkung dürfte da erst recht eine Verbindung von Kultur und Revolution auf die Verbindung von blöde und deutsch haben, also auf Blöddeutsche?
    Stimmt im Prinzip. Doch wer in aussichtslosen Situationen doch noch siegen will, muss sich von bisher gültigen Prinzipien verabschieden.
    Und tschüss.
    Nach dieser Grundsatzentscheidung soll jetzt Schritt für Schritt, langsam und deutlich, im Prinzip so, wie fürsorgliche Eltern kleinen Kindern Sprechen und aufrechten Gang beibringen, gehandelt werden. Diese Methode nennt man Didaktik.Wer nicht belehrt werden mag, und das dürfte die Mehrheit sein, begegnet der Didaktik am besten mit rhetorischen Fragen:
    Wer will noch lesen, wie toll Harald Schmidt mit vulgärbrutalen Sottisen und inkorrekten politischen Ansichten sowohl die einen wie die anderen erreicht? Ist das nicht eher vergleichbar mit dem Einrennen von weit offenen Türen? Darf erfolgreich schon Benutztes überhaupt noch als Mittel zum Zweck eingesetzt werden? Wer weiß nicht, dass Anke Engelke ein witziger, intelligenter Tramp und nicht nur ein Ladykracher ist? Wer will schon wieder lesen, dass es typisch sei für real dahinvegetierende Unterhaltungsmacher, noch immer kein ihr gemäßes Sendeformat erfunden zu haben? Wer will überhaupt noch erfahren, dass die Kika-Serie Cosmic Quantum Ray – relativ viel wissen mit Axel Huth und Buckingham, dem Roboter, spielerisch wissensvermittelnd
ist wie die geliebte Sendung mit der Maus , die Augsburger Puppenkiste , die Sesamstraße und das in den neuen Bundesländern unverwüstliche Sandmännchen ? Wer würde nicht bestätigen, dass die erfolgreichste RTL-Aufklärungsserie zwar von einer simplen, unterhaltenden Idee lebt, aber auch Blöden
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