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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Autoren: Michael Jürgs
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vermittelt, welchen Nutzwert in Euro die Bildung haben kann? Wer weiß nicht längst, dass Wer wird Millionär? ohne Günther Jauch nur irgendein Quiz wäre, das sogar irgendein Pilawa moderieren könnte? Wer will noch lesen, dass Christine Westermann und Götz Alsmann deshalb auf Augenhöhe bei Tisch in Zimmer frei mit ihren Gästen über alles Mögliche plaudern können, weil sie unprätentiös zugeben, auch mal weniger zu wissen als ihre Tischnachbarn? Wer würde nicht bestätigen, dass Olli Dittrich wesentlicher ist als philosophische Quartette, weil seine Weisheiten nach einem tiefen Schluck aus der Pulle des Lebens schmecken? Wer will noch lesen, warum die norddeutsche Entertainerin Ina Müller, die das seltene Talent besitzt, Menschen zu öffnen, indem sie offen mit ihnen umgeht, ein ungeschliffener Diamant im ziemlich leeren Samstagabend-Schatzkästlein der ARD ist? Wer weiß noch nicht, dass die blonde Barbara Schöneberger aufgrund ihrer Bildung und nicht wegen ihres gut ausgebildeten Busens eine ideale TV-Gastgeberin wäre für eine hämische, klatschsüchtige Weiberrunde, die sich über das lustig macht, was in »Bild« und »Bunte« ernst genommen wird?
    Das weiß man doch. Das ist doch bekannt. Muss aber dennoch immer wieder erwähnt werden, sobald wie in diesem Kapitel die Frage auftaucht, wo denn verdammt noch mal das Positive bliebe.
    Wo denn?
    Der Reihe nach, Schritt für Schritt.
    Für »Kultur« gibt es Hunderte von Definitionen und
Deutungen und Übersetzungen, und dennoch weiß niemand genau, woraus das Wesen von Kultur tatsächlich besteht. Sonst würden nicht so viele Bücher darüber geschrieben werden. Erschwerend fürs Verständnis kommt hinzu, dass zahlreiche Kulturschaffende mit ihrem Schaffen im Namen der Kultur für die Fortbildung der Allgemeinheit keinen sinnschaffenden Beitrag leisten, also der Kultur eher schaden. Es bietet sich deshalb an, sich zwei wesentliche Interpretationen von Kultur herauszugreifen und die Schlacht zunächst propagandistisch vorzubereiten. Beide dürfen die Zielgruppen nicht überfordern, sonst ziehen die die Notbremse und steigen auf freier Strecke aus.
    Kultur ist entfernt verwandt mit Kolter. So nannten die Bauern das Messer vor dem Pflug, mit dem sie ihre Felder umpflügten.Von daher stammen – doch wer’s glaubt, wird höchstens selig – Begriffe wie Kulturlandschaft und Agrikultur. Kolter wäre geeignet, um auch heute Felder umzupflügen und in Furchen Neues zu säen, Sinnvolles, Nachhaltiges. Das von Gedanken gerodete brachliegende Ackerland wäre nicht mehr der Natur überlassen, der Mutter aller Kulturen aller Völker – deshalb Mutter Natur! -, es würde im Gegenteil rücksichtsvoll kultiviert.
    Die These des englischen Staatsmanns und Philosophen Francis Bacon – bereits im 17. Jahrhundert seiner Zeit voraus- und nachdenkend -, Kultur bedeute so viel, wie den menschlichen Geist zu düngen mit neuen Erkenntnissen, wäre zwar passend aus dem Netz gefischt, darf aber nicht mal erwähnt werden, weil sonst das Heer der Blöden auf Befehl seiner Blödmacher die Bretter vor den Köpfen festzurrt und es den Gebildeten schwer macht, in sie vorzudringen. Gleichfalls muss eine Definition des in Oxford lehrenden Professors Terry Eagleton verschwiegen werden,
wonach Kultur grob vereinfacht den Übergang von der Schweinezucht zu Picasso bedeute.
    Denn wer wäre in diesem Bild der Züchter? Denn wo würden sich die Schweine grunzend ums Futter drängen?
    Eben.
    Nicht ganz so revolutionär wie aus der mit Kolter aufzuwühlenden Ackerlandschaft, verschlammt und verkrustet durch Ablagerungen von Dummheit, lässt sich Kultur auch anders aus dem Lateinischen vom Verbum »colere« abstammend deuten. »Colere« heißt so viel wie hegen, pflegen, wachsen lassen. Passt gleichfalls ins Bild von dringend zu düngenden Seichtgebieten. Diese Botschaft sollte jedoch nicht von oben herab mit Flugblättern über den feindlichen Linien abgeworfen, sondern behutsam verbreitet werden.
    Was machen Gärtner in der Natur, wenn ein Beet voll Kraut und Rüben vor ihnen liegt? Sie kultivieren (aha!) es, weil sonst weder das eine noch die anderen gedeihen. Damit soll ein Bogen zum eigentlichen Thema geschlagen und ein Gleichnis bemüht werden. Wie bereits erwähnt, waren einfache Gleichnisse die Methoden biblischer Autoren, um einfaches Volk trotz seines eingeschränkten Horizonts mit ihren Botschaften zu erreichen. Ins Heute übertragen würde ein solches Gleichnis lauten: dass
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