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Sehnsucht unter suedlicher Sonne

Sehnsucht unter suedlicher Sonne

Titel: Sehnsucht unter suedlicher Sonne
Autoren: Margaret Way
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Felszeichnungen zu zeigen.
    Erst danach konnte die Auseinandersetzung stattfinden. Dann würde er Genevieve Grenville alias Michelle Laurent entlarven. Eigentlich bedauerte er diese Entwicklung. Hester, die gewohnheitsmäßig streng über andere urteilte, hatte sie gern. Genevieve ihrerseits leistete gute Arbeit, doch warum auch nicht? Immerhin gehörte sie auf dem Buchmarkt zu den aufsteigenden Autorinnen. Auf geheimnisvolle Weise hatte sie Kit vor einem unseligen Schicksal bewahrt, obwohl sie weiterhin darauf bestand, dass Sondra durch sie gewirkt habe.
    Meinte sie damit so etwas wie Telepathie? Er kannte sich mit parapsychologischen Phänomenen nicht aus, aber Genevieve besaß zweifellos übersinnliche Fähigkeiten.
    Wer war sie wirklich ? Frau oder Zauberin oder beides zugleich?
    Hester zog sich nach dem Essen in ihre Suite zurück. Sie habe keine Lust, entschuldigte sie sich, alte Aufnahmen aus ihrer Glanzzeit zu hören. Trotzdem hatte sie Genevieve erlaubt, ab und zu eine Stunde auf dem Flügel zu üben. Genevieve hatte sich bei diesen Gelegenheiten streng an die Tausig-Etüden gehalten. Vielleicht ergab sich ja später für sie eine Gelegenheit, etwas aus den Noten herauszusuchen, die in der Klavierbank aufbewahrt wurden. Sie wollte Hester auf keinen Fall verärgern oder ihr irgendwie Kummer bereiten.
    Noch vor wenigen Wochen hätte sie es für ausgeschlossen gehalten, dass sich zwischen ihr und Hester ein so gutes Verhältnis entwickeln würde. Die alte Dame betonte Bretton gegenüber immer wieder, eine wie große Hilfe sie ihr sei und förderte damit unbeabsichtigt Genevieves Spekulationen.
    Hester hatte Catherine geliebt und schien noch nach Jahrzehnten unter ihrem Verlust zu leiden. Kaum denkbar, dass sie ihr etwas angetan hatte. Doch wer kam sonst infrage? Mörder sahen meist nicht wie welche aus.
    Wie erwartet, hielt Derryl es auf seinem Platz nicht länger als zehn Minuten aus, obwohl Hesters Interpretation von Liszts Mephisto Walzer besonders packend war. Genevieve bewunderte ihre brillante Technik, die auch bei den folgenden Konzertstücken stark hervortrat. Doch je länger Genevieve zuhörte, desto mehr vermisste sie weiche, lyrische Töne, wie sie vor allem Schumann und Chopin verlangten.
    Während Bretton dem Spiel seiner Großtante lauschte, ließ er Genevieve keinen Moment aus den Augen. Er konnte ihr ansehen, dass Hesters virtuoser Stil sie beeindruckte, sie ihn aber nicht billigte, obwohl Hester zweifellos berühmt geworden wäre, wenn sie eine Konzertkarriere angestrebt hätte. Zwischendurch dachte er auch an seine Mutter. Sie hatte bei Weitem nicht Hesters Können besessen, aber dafür seelenvoller gespielt.
    Nach dem Schlussakkord spendete Kit begeistert Beifall. „Das war großartig!“, rief er. „Ich wusste gar nicht, dass Miss Hester eine so begnadete Pianistin war.“
    Bretton wandte sich an Genevieve. „Ist das auch dein Urteil?“
    „Ich muss Kit recht geben. Das war eine brillante Darbietung.“
    „Aber?“
    Genevieve spürte, dass sie errötete. Konnte Bretton etwa schon ihre Gedanken lesen? „Ich wünschte, ich hätte ihre Technik“, antwortete sie ausweichend. „Ein Jammer, dass sie wegen ihrer Arthritis nicht mehr spielen kann. Die Musik wäre ein großer Trost für sie.“
    „Zweifellos“, stimmte Kit ihr zu. „Sondra und ich hielten es immer für eine wahre Tragödie, dass Jacqueline du Pré multiple Sklerose bekam. Es geschehen so viele traurige Dinge …“ Die Stimme versagte ihm.
    Bretton versuchte, die Stimmung etwas aufzuheitern. „Fühlst du dich in der Lage, uns auch etwas vorzuspielen?“, fragte er Genevieve. Es war eine bewusste Herausforderung.
    „Nicht nach dem Vortrag“, wehrte sie ab. Hesters Virtuosität hatte sie eingeschüchtert.
    „Sie spielen auch, Gena?“, fragte Kit überrascht. „Wie wäre es mit einer kleinen Kostprobe?“
    „Wir sind bestimmt nicht zu kritisch“, versprach Bretton. „Hester hat mir von deinen Übungen erzählt. Sie müssen ihr gefallen haben, sonst hätte sie dich bestimmt gebeten, damit aufzuhören.“
    „Ich habe nur die Übungen aus meiner Konservatoriumszeit wiederholt“, gestand Genevieve. „Die wollt ihr doch bestimmt nicht hören.“
    Kit spürte die zunehmende Spannung. „Spielen Sie irgendetwas, Gena“, bat er. „Wenn Sie am Konservatorium studiert haben, müssen Sie viele Stücke kennen.“
    „Also gut.“ Sie hatte oft auf dem großen Flügel des Konservatoriums gespielt, und ihr Vater hatte ihr zum
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