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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
Autoren: Fiona Capp
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Haltung und der Art und Weise, wie sie sich von der Menge fernhielt. Sie hatten die Melbourne Intercolonial Exhibition aufgesucht, und beide standen vor Eugen von Guérards Mount Kosciusko . Celestina ließ eine Bemerkung über ihre Liebe zu den Bergen fallen, weil diese sie an den Ort ihrer Kindheit erinnerten, und die zwei Frauen kamen ins Gespräch über die Vorzüge der Bergszenerie im Unterschied zu den eher stillen, pastoralen Landschaften, wie sie jetzt en vogue waren.
    Celestina gestand, womöglich nie ein Interesse an der Malerei entwickelt zu haben – genauso wenig wie ihre Eltern –, wäre ihr nicht zufällig der bemerkenswerte Mr. Eugen von Guérard begegnet, der Passagier desselben Schiffes war, das auch ihre Familie 1852 nach Melbourne gebracht hatte. Eines Morgens, man überquerte gerade den Äquator, sei sie über das Oberdeck spaziert, wo sie ihn vor seiner Staffelei habe sitzen und begierig ins offenbar Leere habe blicken sehen – jedenfalls machte es in den Augen der Zwölfjährigen diesen Eindruck. Weit und breit sei kein Land in Sicht gewesen, der Ozean war grau und eintönig, der Himmel bewölkt. Sie habe nicht begriffen, was für ihn von Interesse sein könnte, bis er begonnen habe, von den sich verändernden Farben des Wassers und von der sich ständig wandelnden Wolkenlandschaft zu erzählen. Selbst in der monotonsten Ansicht lasse sich Größe finden, sofern man seine Augen dem Wetter, der Textur der Dinge und dem Spiel des Lichts öffne.
    Von da an habe sie ihn jeden Tag besucht, um die Fortschritte seiner Arbeit zu verfolgen, und sei bald schon von den zauberhaften Effekten gefesselt gewesen, die ihm mit wenigen Kohlestrichen oder Farbklecksen gelangen. Er habe alte Brotkrumen verwendet, um Bleistiftstriche auszuradieren, und behauptet, diese seien besser als Kautschuk, weil sie das Papier weniger beschädigten. Und wegen der Krumen hätten auch immer Vögel über ihnen gekreist.
    »Ich fühlte mich wie eine dieser Möwen«, erzählte sie Jemma. »Indem ich Wissensbrocken aufpickte. Über meine eigenen Fähigkeiten gebe ich mich keiner Illusion hin. Aber ich werde ihm immer dankbar dafür sein, dass er einem Mädchen aus einem armen Bergdorf beigebracht hat, Kunst wertzuschätzen.« Celestina warf einen kurzen Blick auf die junge Frau. »Und Sie, meine Liebe. Ich hege die Vermutung, Sie könnten selbst eine Malerin sein.«
    Jemma lächelte scheu. »Wie kommen Sie darauf?«
    Celestina deutete auf den Saum von Jemmas schlichtem Musselinrock. Auf der rechten Seite, fast in den Falten versteckt, waren Farbspritzer, in Preußischblau und Kadmiumorange.
    »Ach du liebe Zeit!«, lachte Jemma und fühlte sich zu dieser scharfsichtigen Frau hingezogen. »Davon hatte ich keine Ahnung.«
    Celestina sagte, sie würde sich gern Jemmas Arbeiten ansehen. Vielleicht heute Nachmittag, sofern sie nicht zu beschäftigt sei, nach einem kleinen Imbiss?
    »Unmöglich. Nicht nach all diesen wunderbaren Kunstwerken.«
    Aber Celestina ließ sich nicht abspeisen. Sobald sie das kleine Atelier in East Melbourne betreten hatte, wusste sie, dass ihr Instinkt sie nicht getrogen hatte. Diese junge Frau konnte malen. Immer wieder kehrte Celestina zu einem ganz speziellen Gemälde zurück und verkündete schließlich, es kaufen zu wollen. Es war ein kleines Werk in Öl von einer leeren Koppel, der Koppel, wie sie später erfahren sollte, auf der Jemma ihren toten Vater gefunden hatte. Es gab keine Gestalten auf diesem Gemälde – nur einige flach gedrückte Butterblumen und eine große Ulme in mittlerer Entfernung sowie eine einsame Elster. Celestina sagte, sie werde es in den Tearoom hängen, den sie zusammen mit ihrem Ehemann von Manotti & Curle’s Sprudelwasser auf der Hauptstraße von Wombat Hill betreibe. Irgendwann habe sie vor, eine Galerie zu eröffnen, um dort die Werke einer neuen Generation kolonialer Künstler auszustellen. Weide mit Butterblumen war ihre erste Erwerbung.
    Sie waren seit fast einem Jahr befreundet – korrespondierten regelmäßig und trafen sich bei Celestinas gelegentlichen Besuchen in der Stadt –, da beklagte Jemma sich bei Celestina, dass ihre Funktion als Lehrerin an Mrs. Sands’ Ladies’ College ihre ganze Energie raube, sodass für ihre Kunst nichts mehr übrig bleibe. (Dass sie zudem den Aufwartungen eines unerwünschten Verehrers zu entkommen wünschte, blieb ungesagt.) Celestina machte es sich zur Aufgabe, für Jemma eine passendere Anstellung zu finden, und dies war der
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