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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Liv Winterberg
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Tür.
    Jetzt war sie weg.
    Aber er wollte es so.
    Es ging um Catheline, und irgendwann würde sie das auch verstehen. Er musste sie freigeben, damit sie ein Leben führen konnte, das sie verdiente.
    Mathis schüttelte den Kopf und traute seinen eigenen Gedanken nicht.

Im Wald bei Saint Mourelles
    W arum sind sie schon weg? Diese widerwärtigen Lumpen, warum sind sie schon weg?« Marie lief um die erloschene Feuerstelle herum und zeigte auf den verschmutzten Schnee. »Sagt mir doch«, schrie sie, »warum ist dieses gottlose Pack so eilig aufgebrochen? Das Fest hat doch erst gestern Abend stattgefunden.«
    Catheline schaute zu Yann hinüber. Der Schmied war ein Koloss von einem Mann, doch neben seiner keifenden Frau schien er kraftlos in sich zusammenzufallen. Er rieb sich die Stirn, atmete durch, um dann Marie hinterherzueilen. »Warum sollen sie denn nicht aufgebrochen sein?«, fragte er.
    Maries Haube hatte sich gelöst, wirr schauten vereinzelte Haarsträhnen hervor. Haare, die bis zu den Oberschenkeln reichten und die Maries ganzer Stolz waren, die sie jetzt jedoch unwirsch zur Seite schob. Abrupt drehte sie sich um und fixierte Yann. »Sieh halt hin, du bist doch sonst nicht so tumb. DieBettler, die Huren, sie alle sind noch da. Nur die Spielleute sind bereits weitergezogen. Sie haben Raymond mitgenommen. Sie haben unserem Sohn mit ihren ruchlosen Darbietungen den Kopf verdreht und ihn mitgenommen.«
    »Da sind wir, da sind wir«, rief Avel laut und stapfte einen schneeverwehten Hang herab. »Ich habe Mathis geholt, wie ihr es gesagt habt. Ich bin zu ihm hingeflogen, aber zurück sind wir beide gelaufen. Denn er kann ja nicht fliegen.«
    Auch Marie schaute auf, als Mathis ihnen entgegenhinkte. Er war die Ruhe selbst und erinnerte wieder an den Mann, den Catheline so gut in Erinnerung hatte: voller Tatkraft und fernab von Selbstmitleid. »Worum geht es?«, fragte er nur.
    »Raymond hat gestern eine Lieferung zum Schloss gebracht«, sagte Yann. »Es wurden Schürhaken und Spieße für die Küche verlangt, Arbeiten, die eilends ausgeführt werden mussten. Er ist seitdem nicht mehr zurückgekommen.«
    Liegt es an Mathis’ Anwesenheit, dass Yann mit einem Mal gelassener wirkt?, fragte Catheline sich und ließ die schwieligen Hände des Schmieds nicht aus den Augen, die eben noch miteinander gerungen hatten und nun still ineinanderlagen.
    »Er kam nicht am Abend, ich dachte, er würde sich beim Schloss herumtreiben, um noch etwas vom Fest mitzubekommen. Wir haben uns schlafen gelegt, aber heute Morgen war er nicht da«, ergänzte Marie, der Selbstvorwurf in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Wir haben ihn überall gesucht, aber niemand hat ihn gesehen.«
    »Gerade sagtest du, die Spielleute hätten ihn mitgenommen. Wie kommst du auf diesen Gedanken?«
    »Raymond hoffte, die Spielleute zu sehen. Ich habe ihm verboten, mit diesem Pack zu sprechen. Aber du weißt ja, wie Jungen in seinem Alter sind. Nicht Kind, nicht Mann, hören sie nie auf Vater und Mutter. Du weißt, dass er ein schmuckerBursche ist: das schwarze Haar, die braunen Augen. So einen nehmen diese Halunken mit, sofort. Ob er will oder nicht.«
    Der gequälte Ausdruck kehrte in das Gesicht des Schmieds zurück. Hilfe suchend blickte er zum Tagelöhner Gabin und seiner Frau Eve, die mit Fackeln in den Händen auf der Lichtung erschienen.
    Eine Welle dunkler Müdigkeit überrollte Catheline. Sie hatte in der Nacht kein Auge geschlossen, hatte auf Tränen gewartet, die nicht kamen, und dann den halben Tag damit zugebracht, bei der Suche nach Raymond zu helfen. Sie war durchgefroren, und Mathis’ Nähe, die Notwendigkeit, an ihm vorbeizuschauen, kein Wort über seinen feigen Rückzug zu verlieren, kosteten sie die letzte Kraft.
    »Wir sollten die Dämmerung nutzen und in kleinen Gruppen noch einmal die Umgebung absuchen«, hörte sie die vertraute Stimme. »Es ist bei dieser Kälte unwahrscheinlich, dass sich Raymond irgendwo herumtreibt. Gabin und Eve, ihr lauft nach Süden bis zum Fluss hinunter. Avel und ich suchen die Lichtung weiter ab, und ihr«, Mathis zeigte auf die verzweifelten Eltern und Catheline, »geht zur Schmiede zurück. Falls Raymond dort auftaucht.«
    Eine warme Hütte, ein Schluck heißer Würzwein, so ließ sich das Warten vielleicht überstehen, dachte Catheline und empfand doch ein Unbehagen, die Zeit allein mit Yann, Marie, ihren Kindern und der Angst zubringen zu müssen.
    »Ich bin sicher«, sagte Gabin zu Eve, während er sich
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