Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn
Autoren: Stacia Kane
Vom Netzwerk:
war nicht normal. Magie sollte ihr nicht solche Schmerzen bereiten, schon gar nicht ihre eigene, sie war — was war in diesem Tee? Was war verdammt noch mal in diesem Tee?
    Der Assistent, der kleine, stieß in der Ecke ein meckerndes Lachen aus. »Dumm gelaufen, wie, Kirchenhexe? Wird dir ’n bisschen schlecht?«
    Oh nein. Sie wussten, wer sie war. Schon als sie zur Tür hereingekommen war, hatten sie es gewusst.
    Annabeth stürzte sich auf ihre Mutter. Chess warf ihr eine Handvoll Asafoetida und Friedhofserde entgegen, versuchte, die Wirkung mit etwas Macht zu verstärken, während sie die Worte durch die zugeschnürte Kehle presste. »Annabeth Whitman, ich befehle dir, dich nicht zu rühren. Bei der Macht der Erde, die dich bindet, befehle ich es dir.«
    Annabeth hielt inne, aber nur kurz. Nicht genug Macht. Scheiße!
    Ein lautes Krachen, Schritte polterten auf der Treppe. Verstärkung, oh, dank der Technik, die sie hierhergeführt hatte, waren sie endlich da. Chess wich dem angreifenden Geist aus - um den sollten sich die Kollegen kümmern - und warf sich, um Konzentration ringend, auf den sonderbaren Menschen in dem Müllsackoverall. Der Griff ihres Messers fühlte sich kühl und schwer an, besser als alles andere auf der Welt.
    Jetzt erkannte Chess, dass sich hinter der Schminke eine Frau verbarg. Sie packte sie am wirren Haar und drückte ihr das Messer an die Kehle. »Was war in diesem Tee?«
    Die Frau kicherte. Der beißende, metallische Schweißgeruch, der durch Speed hervorgerufen wird, brannte Chess in der Nase. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein irrer Scheiß-Junkie hielt ihr Leben in den dreckigen Händen.
    »Was war in dem verdammten Tee? Wenn du nicht auf der Stelle sterben willst, dann ...«
    »Du bringst mich nicht um, Kirchenhexe. Hast du nicht den Mumm zu.«
    Chess schob das Messer ein Stück höher, sodass sich die Klingenspitze in die Haut bohrte, und überlegte. Sie hatte schon einmal getötet. Sie hatte es nicht gewollt, und es hatte ihr nicht gefallen, aber sie hatte es getan. Mehr noch, sie kannte Leute, die es kaltblütig taten und die schon weitaus Schlimmeres gemacht hatten - verdammt, mit etwas Nachdenken fielen ihr sogar Leute ein, die ihr weitaus Schlimmeres angetan hatten. Leute, bei denen sich Hassgefühle in ihr breitmachten, ekelhafte, brodelnde Hassgefühle. Sie rief sich die Leute vor Augen, tauchte in die Erinnerung ein, ließ sie Gestalt annehmen, zu etwas Greifbarem werden.
    Hinter ihr herrschte das reinste Chaos. Die Kirchenleute brüllten herum. Schwer und trocken stieg der Geruch nach Bannkräutern auf. Chess schob all das beiseite und starrte die Frau an, der sie das Messer an die Kehle drückte. Dabei glaubte sie tief und fest, dass sie zustoßen würde, und diese Überzeugung ließ sie die Frau spüren.
    Es funktionierte. »Tasro.« Die Frau senkte den Blick. »Wer-Tasro.«
    Gift. Tasro war ein Gift. Chess wurde schwindelig.
    »Chessie? Bist du okay?«
    Dana Wright, eine Debunkerin. Ihre Augen waren sorgenvoll geweitet, die Hände noch voller Kräuter.
    »Tasro. Sie haben mir Tasro in den Tee getan, sie haben mich erkannt, bevor ich überhaupt die Treppe runterkam. Ist der Kasten mit den Gegengiften im Transporter?«
    »Ich komme mit.« Dana streckte die Hand nach ihr aus, aber Chess wich zurück. Sie wollte jetzt nicht angefasst werden. Glaubte nicht, dass sie es ertragen konnte.
    »Nein, kümmere dich - kümmere dich einfach um die hier, ja? Ich - ich muss ...«
    Sie hielt sich nicht damit auf, den Satz zu beenden. Es fühlte sich an, als hätte sie eine Rasierklinge verschluckt und ihr bliebe nicht mehr viel Zeit. Ganz zu schweigen von der beunruhigenden Frage, die in ihr rumorte. Die Cepts sollten eigentlich keine Auswirkungen auf das Gegengift haben, aber ... trotzdem wollte sie lieber alleine sein. Nur, um ganz sicherzugehen.
    »Man soll sich das Gegengift nicht selbst ...«
    »Ich komme schon klar.«
    Dana sah aus, als läge ihr noch mehr auf der Zunge, aber Chess gab ihr keine Gelegenheit mehr, es loszuwerden. Sie rannte die Treppe hoch und zur Tür hinaus und ließ sich die schweißnasse Stirn vom eisigen Wind trocknen.
    Vor drei Monaten hatte der Fall Morton ihre Stellung in der Kirche erheblich verändert. Was den reinen Job anging, leistete sie neben ihrer Arbeit als Debunkerin jetzt auch gelegentlich Unterstützung in anderen Abteilungen, weshalb sie auch bei der tödlichen Party heute Nacht die Vorhut gebildet hatte. Aber vor allem in den Augen ihrer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher