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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn
Autoren: Stacia Kane
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Energie der Toten sein, sie konnte nicht von ihr stammen. Es musste eine Nachwirkung des Mordes sein. Vielleicht ein Teil des Rituals? Hatte der Täter Sexmagie eingesetzt, um sie zu töten? Zumindest keine gewöhnliche, denn in dieser Energie verbarg sich etwas Dunkles, das anschmiegsam und verstohlen war wie ein intimes Lachen. Was immer hier vorgegangen war, normaler Sexzauber war es nicht.
    »Das war der Weinende Mann«, schaltete sich jemand ein. »Die Augen hat er ihr weggemacht, damit sie ihn nicht sehen kann, ich sags euch.«
    »Und sein Zeichen hat er auch hinterlassen«, warf eine jüngere Stimme ein, die schrill war vor lauter Angst. »Auf ihr und da drüben.«
    Chess sah auf und folgte dem ausgestreckten Finger der Sprecherin, bis ihr Blick auf das in die Wand geritzte Symbol fiel. Es war keine Rune, wie sie zuerst befürchtet hatte, sondern irgendeine Glyphe, die wie das Erkennungszeichen einer Gang aussah, ein mit abwärtsgerichteten Pfeilen und Kreuzen versehenes Dreieck. Eigentlich wirkte es eher wie eine wirre Kritzelei, und trotzdem richteten sich ihr die Nackenhaare auf.
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis sie das Symbol auch an der Toten entdeckte. Es befand sich auf der linken Brust, unter dem Ausschnitt des pinkfarbenen Tops und war nicht in die Haut geritzt, wie Chess erwartet hatte, sondern eingebrannt, und zwar vor ihrem Tod, wie die Blasen verrieten, die sich rund um die Brandwunde gebildet hatten.
    »Hat irgendjemand was gehört?« Sie musste sich räuspern, bevor sie die Worte herausbrachte, und lenkte sich ab, indem sie ein paar Fotos von dem Zeichen machte, als könnte sie die Entwürdigung der Frau ausblenden, wenn sie es nur durch die Linse betrachtete.
    »Der Weinende Mann hat sie nicht zum Flennen kommen lassen«, erklärte ihr jemand. »Keinen Pieps haben wir gehört.«
    »War jemand bei ihr?« Spielte das eine Rolle? Verdammt, wie sollte sie das bloß hinkriegen? Ja, Debunker untersuchten zwar manchmal Verbrechen, die mit Hexerei zu tun hatten, aber nur bei Fällen wie dem von Madame Lupita oder bei Geistermissbrauch. Sie war keine Detektivin. Wie kamen Terrible und Bump bloß auf die Idee, sie könne nur mit einem Blick auf diese arme tote Frau feststellen, ob ein Geist hinter der Sache steckte oder nicht?
    Andererseits ... Mist, sie wusste doch schon, dass es kein Geist gewesen war, oder jedenfalls, dass der Geist einen Komplizen gehabt haben musste. Geister konnten keine Magie ausüben. Falls die Frau nicht gerade einen unfassbar starken neuen Zauberspruch ausprobiert hatte - was unwahrscheinlich war, weil nicht jeder x-Beliebige eine solche Macht einsetzen konnte, wie Chess sie hier spürte -, war der Mörder eindeutig ein Mensch.
    Red Berta stieß eine ihrer Nutten nach vorn. Sie stolperte auf ihren wackeligen Schuhen und richtete sich dann auf; Chess sah sofort, wie high sie war.
    »Ich musste noch was besorgen«, nuschelte das Mädchen und schwankte vor sich hin.
    »Du hast Daisy im Stich gelassen, und jetzt ist sie tot.« Red Berta fixierte sie mit einem stechenden Blick, der selbst eine nüchterne Person zum Zittern gebracht hätte. Berta war eins achtzig groß, und man legte sich besser nicht mir ihr an. Vor der Geisterwoche war sie Revuetänzerin gewesen - vor der Geisterwoche und dem Angriff eines Geistes, der ein Rasiermesser geschwungen hatte. Berta hatte überlebt. Ihr gutes Aussehen nicht.
    Chess sah kurz in Terribles teilnahmsloses Gesicht, dann fragte sie die Zugedröhnte: »Hast du irgendwas beobachtet, als du zurückgekommen bist?«
    »Ich wette, die hat ’ne Menge beobachtet«, flüsterte jemand in der Dunkelheit. »Blumen und Hundewelpen, die zum Himmel schweben, was?«
    »Hab den Spuk gesehen.« Das Mädchen schlang die Arme um sich. »Hab ihn verschwinden sehen, als ich zurückgekommen hin.«
    »Du hast den Geist gesehen?«
    »Ja.«
    »Wie sah er aus?«
    »’n Hut hat er aufgehabt.«
    Schaudernd wichen alle einen Schritt zurück. »Den Weinenden Mann hat sie gesehen. Der Weinende Mann hat’n Hut auf.«
    Bevor Chess darauf etwas sagen konnte, machte Berta auf sich aufmerksam. »Terrible.« Sie deutete mit dem Kopf auf die andere Straßenseite.
    Chess folgte ihrem Blick mit dem unguten Gefühl, dass die Aussichten für die Nacht gerade von »schlimm« auf »tödlich« gesunken waren.
    Slobags Leute beobachteten sie aus einer Gasse.

3
    Gewalt ist die schlimmste menschliche Schwäche und zugleich
    die unnötigste. Die Kirche beschützt dich
    vor der
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