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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Autoren: Erik Kellen
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den Läppchen bis hinauf zum Kopfansatz. Ihr Blick wurde unscharf. Ein stechender Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Alte, so wohlvertraute Angst schlich so ansatzlos durch ihr Herz, dass es sogar wehtat.
     Sie wankte, ein geflochtenes Seil wurde zu ihr hinabgelassen, sie ergriff es, sämtliche Töne waren dabei wie gedämpft, als läge ein starker Druck auf ihrem Trommelfell. Sie schlang das Tau um ihre schmutzige Hand, wurde emporgezogen, vorbei an der schwarzen Erde, über die zugespitzten Pfähle, in ihren Wald hinein. Und dann stand sie da, schwankend wie jemand, der bereits zum dritten Mal bei einem Boxkampf angezählt wurde, sah ihrem Retter ins Gesicht.
    Zeichnungen, da waren überall nur Striche, die ganze Haut war voll von ihnen. Nur die Augen waren ... sie waren warm. Man konnte eine Hand dort hinein legen und wusste, dass sie dort gut aufgehoben war. Der Kopf war kahl geschoren, nur ein einzelner Zopf baumelte von der Schläfe. Das Gesicht, das sie ungläubig musterte, als könne es nicht fassen, dass sie wirklich da sei, hatte scharfe Züge. Es sah wild und gelassen aus. Wie wenn man etwas tat, das man besonders gut konnte. Und war das Wort Adlernase einmal für jemanden bestimmt gewesen, dann jetzt. Der Mann war größer als sie, aber nicht viel, geformt wie ein gefährlicher Speer.
    Sie wollte einen Namen in ihren Gedanken formen, doch er war zu schnell für sie.
    »Wo bin …« Dann verschüttete jemand schwarze Farbe in ihrem Kopf, sie sackte nach vorn und wurde aufgefangen.
    »Ihrrr Zuhause sein! Endlich zurrrück!«
    Doch Nilah hörte diese Worte nicht mehr.
     

 
    Sinuhe
     
    Es war wieder einmal Nacht geworden.
    In dem großen, kopfförmigen Zimmer des Leuchtturms knisterte ein klägliches Feuer, eine Teekanne stand vergessen nahe den Flammen. In einem Sessel gleich neben dem offenen Fenster, das eines der Augen des Turms war, saß in sich zusammen gesunken ein alter Mann. Er schien zu dösen, ein aufgeschlagenes Buch auf den Knien liegend, dessen Seiten leise im Wind aneinander rieben.
    Außer der vagen Brise gab es nur Stille, so wie seit vielen Jahren in dieser Stadt nur noch Stille und Schnee waren. Sie hatten die Schultern des Mannes gekrümmt, sein Haar grau gefärbt und sein Herz in Müdigkeit verwandelt.
    Das Buch war ein Sammelsurium aus Zeilen, Zeichnungen und Tintenflecken. Es war alt, älter als die Stadt sogar, in feinstes Leinen gewickelt und mit bunten Verzierungen versehen. Tagebucheinträge wechselten sich ab mit Beschreibungen von Pflanzen, Skizzen von Mauern, Häusern und Sträuchern und so mancher Strich schien wie verblichen, nur noch schemenhaft zu erkennen, als wären Tränen darauf gefallen.
    Die Seite, die gerade in dem sanften Seewind flüsterte, war eine Notiz aus der Vergangenheit. Hieroglyphen aus dem Buch der Toten, geschrieben für den sicheren Weg gen Westen:
     
    Du schläfst, damit Du aufwachst, Du stirbst, damit Du lebst.
    Sinuhes Tage bestanden aus Kräutern, alten Büchern, Destillaten, tiefen Seufzern und dem Blick eines Verlorenen, der immerzu etwas suchte, das längst nicht mehr da war. Oft verweilte er am Fenster, schaute hinaus auf das weite, unbewegte Meer und fragte sich, was von dort kommen würde, doch meistens dachte er darüber nach, was nicht mehr zurückgekehrt war. Und wie sehr er es vermisste. Vor über sieben Jahren hatte er den Segeln nachgeblickt wie ein Vater, der sein Kind ziehen lassen muss, aber nicht will. Starr vor Angst war er gewesen, hatte jedes Gebet, dessen er fähig war aufzusagen, aufgesagt und sämtliche Götter beschworen seinen kleinen Liebling wieder gesund zurückzubringen. Doch Götter sind grausam, taub und stumm - als hätte er es nicht gewusst. Niemand kehrte wieder. Das Schiff blieb verschwunden. Irgendwo dort draußen.
    Er war zurückgeblieben. Ein gebrochener Mann, der zu viele Geschichten las und Tee dabei trank. Nur selten verließ er noch sein Zimmer hier oben im Leuchtturm, wo man weit sehen konnte. Er mochte keinen Schnee, er war ein Mann der Wüste. So war es immer gewesen, so würde es immer sein.
    Er stürzte sich in seine Studien, zumindest in das was von ihnen übrig geblieben war. Den Computer rührte er nur selten an, das Ding war ihm unheimlich. Außerdem waren alle Informationen darin sieben Jahre alt. Da konnte er auch gleich in Schriften stöbern, die dreitausend Jahre auf dem Buckel hatten. Denen traute er mehr. Und was war falsch daran? Ein gebrochenes Bein war ein gebrochenes Bein, egal
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