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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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sehr wohl zumute, denn worüber unterhält man sich eigentlich mit einer Dame?
    Zunächst bot ich ihr einmal wie befohlen einen Stuhl an, aber dann wußte ich auch schon nicht mehr weiter. »Vielleicht möchten Sie wieder einen Kognak trinken, wie damals?« fragte ich. Aber das schien ebenfalls nicht der richtige Anfang zu sein, denn Fräulein Cornelius wurde direkt verlegen und sagte, nein, auf Kognak hätte sie gar keinen Gusto. Aber weil man doch nicht ewig so stumm wie ein Aquariumfisch bleiben kann, sagte ich nach dem offenbar mißglückten Anfang: »Überhaupt ist es sehr schade — und Herr Hogendahl sagt es auch fast jeden Tag zu mir: >Nun erzähl doch bloß mal, Pitt, womit wir das Fräulein so beleidigt haben können, daß sie sich bei uns überhaupt nicht mehr blicken läßt.<«
    »Ich dachte, Herr Hogendahl hätte sehr wenig Zeit«, sagte sie nervös und zupfte mal hier und mal da an ihrer Bluse herum.
    »Was?« sagte ich und tat ganz entrüstet. »Herr Hogendahl und keine Zeit? Keine Rede davon! Zu mir hat er erst gestern gesagt: >Gott, Pitt<, hat er gesagt, »natürlich ist die Arbeit wichtig, aber der Mensch braucht auch hier und da ein wenig Ablenkung, ja, und wenn ich das Fräulein so sehe, wie allein sie immer ist, da möchte man schon gern mit ihr ein bißchen Spazierengehen, am Abend eine Stunde oder zwei...<«
    »So«, sagte sie und hatte ein ganz rotes Gesicht bekommen, »das soll er gesagt haben?«
    »Genau das!« bestätigte ich eifrig, aber da ging die Tür auf und Hogendahl kam herein. Er sah mich mißtrauisch an und fragte, nachdem er Fräulein Lydia mit Handschlag begrüßt hatte: »Na, worüber hat der junge Mann sich denn mit Ihnen unterhalten?«
    Ich sah mich schon nach dem kürzesten Weg zur Kabinentür um, aber zum Glück antwortete sie: »Oh, nichts — nichts Besonderes — nur, ob er mir etwas anbieten dürfe...«
    »Na, dann macht er sich ja«, meinte Hogendahl. »Und was bringen Sie mir Schönes?«
    »Ein Schreiben von Don Saraiva«, antwortete sie und legte die Mappe auf den Tisch, »ob es etwas Schönes enthält, kann ich nicht beurteilen. Aber ich möchte nicht vergessen, Ihnen zu danken, Herr Hogendahl, daß Sie der schrecklichen Szene heute morgen ein Ende gemacht haben. Ich war halbtot vor Angst und Grauen.«
    »Ja«, sagte er und nickte, »ein böser Anblick für zarte Gemüter. — Wissen Sie übrigens, wie es dem Taucher geht?«
    »Er liegt im Sanitätsraum«, antwortete sie mit einem kleinen Seufzer, »aber der Doktor schweigt sich aus — und ich befürchte das Schlimmste.«
    »Wie tief wurde der Mann abgelassen?« fragte er. »Sie hatten doch die Zahlen, nicht wahr?«
    »Neunundsechzig Faden«, antwortete sie unsicher, als kenne sie sich mit dem seemännischen Maß nicht recht aus.
    »Einhundertundzwanzig Meter!« schnaubte Hogendahl erbittert. »Was für ein Wahnsinn! Das ist wahrhaftig Mord!«
    Sie hatte ihm, als sie sich für die Rettung des Negers bedankte, die Hand gegeben, und er hielt sie immer noch fest: »Sie sollten wirklich fort von hier, Fräulein Cornelius! Das ist kein Schiff für eine Frau wie Sie. Sie sollten Don Saraiva unter allen Umständen auffordern, Sie im nächsten Hafen absetzen zu lassen!« Er sah sich nach mir um, und sein Blick sagte ganz deutlich: Hau ab, Pitt! Aber ich tat, als hätte ich ihn nicht verstanden.
    »Nein«, fuhr er fort und drehte fortwährend den Kopf, als würge ihn ein allzu enger Kragen; dabei trug er ein offenes Hemd. »Es ist überhaupt sehr schade, daß Sie sich in der letzten Zeit so unsichtbar gemacht haben. Denn es gibt doch manches, was ich gern mit Ihnen besprochen hätte...«
    Als ich das hörte, kam mir doch tatsächlich eine Portion Spucke in die falsche Kehle, und ich hatte ordentlich Not, mit dem Erstickungsanfall in aller Stille fertig zu werden. Das war nun der gleiche Hogendahl, der mich vor knapp zwei Wochen noch angeschnauzt hatte, er hätte zu arbeiten und durchaus keine Zeit für Mondscheinspaziergänge.
    »Ich habe Don Saraiva heute um meine Entlassung ersucht«, sagte sie und machte ihre Hand sachte frei.
    »Und?« fragte er gespannt.
    Sie zögerte sekundenlang und antwortete mit einer Stimme, die wohl mutig klingen sollte, aber nicht gerade mutig herauskam: »Mein Vertrag läuft erst im Juli des kommenden Jahres ab.«
    Hogendahl verschränkte die Arme über der Brust, seine Fingerspitzen trommelten auf seinen Ellenbogen und er stieß die Luft durch die Nase, als spüre er einen beginnenden
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