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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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kühlen Steinstufen der Terrasse. Er konnte sein Glück kaum fassen. Er befand sich unter Menschen, die ihn akzeptierten und bei sich haben wollten. George wollte ihn ab jetzt öfters mit dem Auto am Strand abholen und zu seinem Haus bringen. Was sie dann alles Wundervolles unternehmen konnten, wagte Sam sich noch nicht auszumalen. Bestimmt würden sie ihm aber Nahrung anbieten und freundlich mit ihm sprechen, so wie heute. Und wenn der Besuch beendet war, würde George ihn zurück zum Meer fahren und ihn wieder freilassen, denn es war Sams freier Wille, die Menschen zu besuchen. Greg hatte ihn zu dem Besuch gezwungen, aber Sam wollte die schlechten Erinnerungen am liebsten vergessen. Er wollte daran glauben, dass Greg ihn doch ein wenig mochte. Vielleicht wusste Greg nicht, wie man sich richtig um ihn kümmerte. Er hatte ja keine Kinder. Bill hatte das mal erwähnt. Also woher sollte Greg das wissen? George zog ein eigenes Kind auf, war geübter im Umgang mit Kindern und arbeitete mit ihnen. Er konnte trösten und sich sorgen, beschützen und umarmen. Sam musste sich eingestehen, dass der Unterschied zwischen George und Greg immens war.
    Trotzdem. Er wusste, wie man sich als Anfänger in einer Sache fühlte und wie es war, wenn Schuldgefühle das eigene Leben bestimmten. Und deshalb gestand er Greg einen weiteren Versuch zu. Medizin für die kranken Kinder zu finden, war wohl seine Art, sich zu kümmern. Und er hatte aus Angst geschossen. Nicht, weil er Sam oder den Wal hatte töten wollen. Diese Theorie hatte Sam sich in langen Nächten, die er zur Erholung nach der Operation in Abernathys Aquarium verbrachte, zurechtgelegt.
     Sam dachte wieder an Vivian und George, die ihn nicht einsperren oder ihm wehtun wollten, wie viele andere Menschen. Er würde sie besuchen ... und Laine öfter sehen als früher… er sirrte traurig. Irgendwie war es jetzt anders zwischen ihnen. Er verstand im Nachhinein gar nicht mehr, wie es dazu gekommen war. Es tat nach wie vor weh, sie mit Bill zu sehen. Fast mehr, als die Wunde in seiner Brust wehgetan hatte. Greg hatte gesagt, dass man sich nicht treffen dürfe, sonst hörte das schlimme Gefühl nicht auf. Aber ab jetzt hatte er Laine ständig um sich. Das war ein echtes Problem. Sam dachte nach, aber ihm fiel nichts ein, was er dagegen tun konnte. George und Vivian nicht zu besuchen, war keine Lösung. Er hatte eine große Chance erhalten und die würde er nutzen. Er durfte sein Glück nicht gefährden. Besser, er ertrug das schlimme Gefühl und war bei Laines Eltern, als alleine im Meer. Vielleicht war das einfach der Preis, den er zahlen musste.
    Ein Mädchen ging mit Kopfhörern auf den Ohren am Gartenzaun vorbei. Sam kannte Kopfhörer, denn Bill besaß auch welche.
    Als das Mädchen Sam sah, blieb es stehen und blickte ihn über den Zaun hinweg erstaunt an. Es nahm die Kopfhörer ab. Sam überlegte, wie er reagieren sollte. Er beschloss, zu grüßen.
    „Hallo“, sagte er schüchtern.
    „Hi, Sam“, sagte das Mädchen. Sam zuckte zusammen.
    „Woher kennst du mich?“, fragte er.
    „Weißt du nicht mehr? Letztes Jahr. Staceys Party.“
    Sam starrte sie an.
    „Ich bin Liz, Laines Freundin.“
    „Aber … du siehst so anders aus“, sagte Sam.
    „Neue Frisur“, sagte Liz. „Wie findest du die?“
    „Sie ist … sehr rot.“
    Liz öffnete das Tor, kam ohne Umschweife in den Garten spaziert und setzte sich neben ihn auf die Treppe.
     „Was hast du denn so inzwischen gemacht? Hab dich ja ewig nicht mehr gesehen. Genau genommen, seit dem Zeltlager. Und Laine tut immer so geheimnisvoll mit dir, wegen deinem Fischdasein.“
    Sam wusste nicht, was er sagen sollte.
    Vivian rettete ihn, als sie mit dem Glas Wasser zurückkam.
    „Hallo Liz. Laine ist noch nicht da, kommt aber jede Sekunde heim. Möchtest du auch Wasser?“
    „Das wäre ein Traum“, sagte Liz. Vivian zwinkerte ihr zu und ging zum Haus zurück.
    „Was machst du denn heute noch so?“, fragte Liz und sah Sam von der Seite an.
    „Ich fahre gleich mit George weg“, sagte Sam und warf ihr einen unsicheren Blick zu. Er trank das Glas fast in einem Zug leer. Das Weinen hatte ihn durstig gemacht.
    Liz stieß ihn freundschaftlich mit der Schulter an.
    „Du bist immer so schüchtern“, sagte sie.
    „Nein, nicht immer“, sagte Sam. Er überlegte.
    „Möchtest du ein Geschenk haben?“
    „Klar.“ Liz schlug die Beine übereinander.
    Sam stellte das Glas beiseite, kramte in seiner Hosentasche und zog das kleine
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