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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition)
Autoren: Nadine Buranaseda
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spät.
    Der Leiter der MK nickte:
    „Ja, wir brechen sofort auf!“
    Zurück im Audi A4 Quattro brach Hirschfeld als Erster das Schweigen:
    „Annelise Janssen ist sich nicht bewusst, dass es nicht Margot Krämer ist, die sie tötet.“
    Er ertrug die Stille nicht länger, die über ihnen lastete, seitdem das Einsatzteam die Wohnung verlassen hatte.
    „Die Ironie ist, dass sie genau aus diesem Grund immer wieder mordet“, ergänzte Kirchhoff und warf einen Blick in den Rückspiegel.
    „Das ist die traurige Wahrheit“, nickte Hirschfeld langsam. „Lena Zimmermann war letztlich ein schlechter Ersatz für ihre Großtante. Die Befriedigung war nur von kurzer Dauer. Aus diesem Grund hat sie die beiden anderen jungen Frauen in ihre Gewalt gebracht.“
    „Die Beerdigung von Margot Krämer war der Auslöser für ihren Rachefeldzug. Wenn ich dich richtig verstehe, hat Annelise Janssen diesen Mord nicht geplant. Meinst du, sie ist danach gezielt auf die Jagd gegangen?“, wollte Schröder wissen.
    „Nein, das glaube ich nicht, Jens. Zum einen gibt es nur wenige Menschen mit Heterochromie. Gezielt nach ihnen zu suchen, wäre ziemlich aufwendig.“
    „Wie meinst du das?“, hakte der Leiter der MK nach.
    „Nun, Annelise Janssen hätte sich dafür zum Beispiel Zugang zu den Krankenakten von Augenärzten und -kliniken verschaffen müssen. Dazu ist sie nicht in der Lage.“
    „Verstehe.“
    „Und daran schließt sich mein zweites Gegenargument an: Annelise Janssen ist psychisch vollkommen labil. Du hättest sie eben erleben müssen. Sie kam mir vor wie ein kleines, verlorenes Kind. Sie ist sich keiner Schuld bewusst, sondern lebt in ihrer eigenen Welt. Vor diesem Hintergrund wundert es mich nicht, dass sie Frührentnerin ist. In ihrem Zustand kann sie keiner geregelten Arbeit nachgehen. Bisher ist nur leider niemandem aufgefallen, dass sich hinter ihrer freundlichen Fassade eine Mörderin verbirgt.“
    Das Gericht würde später darüber zu urteilen haben, ob es Versäumnisse bei der Behandlung von Annelise Janssen gegeben hatte.
    „Das würde bedeuten, dass die Begegnung mit ihren Opfern immer zufällig war?“, wollte Schröder wissen.
    „Ja“, erwiderte Hirschfeld, „bei Susanne und Marie wird sie nur anders vorgegangen sein. Der toxikologische Befund von Lena Zimmermann liegt uns zwar noch nicht vor. Doch selbst wenn Annelise Janssen ihr erstes Opfer betäubt hätte, wäre der Wirkstoff längst nicht mehr nachweisbar. Ich vermute, dass sie erst bei Susanne Bach dazu übergegangen ist, das Beruhigungsmittel einzusetzen. Vielleicht hat sie bei Lena Zimmermann festgestellt, dass sich die junge Frau nicht ohne Weiteres unter Kontrolle bringen ließ, und hat daraufhin ihren Modus operandi verfeinert.“
    „Demnach wird sie Marie auch sediert haben“, folgerte Kirchhoff.
    „Über all die Jahre muss sich ein unbändiger Hass in ihr aufgestaut haben“, stellte Schröder fest.
    Hirschfeld dachte an seine nächtliche Diskussion mit Kirchhoff zurück und erwiderte:
    „Ja, diese blinde Wut hat sie sogar dazu in die Lage versetzt, die beiden Leichen über den mannshohen Zaun des Römerbadgrundstücks zu hieven, um sie am Rhein zu verscharren. Unter normalen Umständen wäre sie dazu körperlich gar nicht imstande gewesen.“
    Als der Fahrzeugkonvoi des Einsatzteams wenige Minuten später vor der Kleingartenanlage am Ennert, einem dicht bewaldeten Naturschutzgebiet in Beuel-Pützchen, hielt, sagte Kirchhoff:
    „Wir können nur beten, dass wir Marie tatsächlich hier finden.“
    Und dass sie noch am Leben ist, fügte Hirschfeld in Gedanken hinzu.
    Auf der Fahrt hatte Schröder einen Rettungswagen angefordert, der bereits mit eingeschaltetem Standlicht vor dem schweren Eisentor an der Einfahrt der Laubenkolonie auf sie wartete.
    Hirschfeld warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr: 20.39 Uhr. Sie schalteten ihre Taschenlampen an und betraten die Kleingartenkolonie. Bereits nach wenigen Metern erkannten sie, dass die Anlage nicht nur abgelegen, sondern auch überaus weitläufig war. Die meisten Gartenhäuser standen in einem Abstand von mindestens 30 Metern voneinander entfernt. Während die SEK-Männer ausschwärmten, hielten sich die zivilen Kripobeamten an den Lageplan, den sie am Eingang entdeckt hatten. Im Laufschritt passierten sie einen überdachten Grillplatz, bevor sie einen beschotterten Seitenweg im Labyrinth der Gartenanlage einschlugen. Nur vereinzelt sahen sie Lauben, die von innen erleuchtet waren.
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