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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer
Autoren: Cornelia Haller
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Besuch hätte ich mich eben nicht halb so gefreut wie über deinen.« Voller Übermut breitete er seine Arme aus und lachte wie ein kleiner Junge.
    Luzia verdrehte ihre Augen. »Statt den ganzen Tag an der Esse zu stehen, um mit Feuer und Wasser zu spielen, wäre
dein Platz wohl eher bei den Gauklern«, lachte sie. »Aber jetzt muss ich weiter.« Sie raffte ihr Wolltuch vor der Brust zusammen.
    Matthias’ raue Schmiedhände griffen nach ihren blaugefrorenen Fingern. »Du bist ja völlig durchgefroren! Wo um Gottes willen wird in dieser Herrgottsfrühe und bei diesem Wetter nach dir verlangt?«, rief er besorgt.
    »Der Korbmacher war bei mir, seine Frau liegt in den Wehen. Er klang sehr verzagt, und mein Gefühl sagt mir, dass ich mich beeilen sollte, sonst kommt das Kind ohne mich zur Welt. Und dann steh uns der Herrgott bei!«
    Matthias nickte. »Wenn du dir schon nicht an meiner Esse die Finger wärmen willst, hole ich dir wenigstens meinen Mantel. Dieses windige Tuch«, dabei griff er an Luzias Schultertuch, »schützt wohl kaum gegen diesen Wintersturm, außerdem ist es völlig durchnässt.«
    Luzia wollte abwehren, doch er zog sie hinter sich her in die Schmiedewerkstatt. Sie blieb in der Tür stehen und klopfte sich den Schnee aus den Kleidern, bis Matthias mit einem Mantel aus dickem Wolltuch über dem Arm aus der kleinen Kammer neben der Schmiede kam. Fürsorglich legte er ihn um ihre Schultern.
    »Danke, so ist es wirklich besser.« Luzia schenkte ihm ein letztes Lächeln: »Auch wenn ich mich gern auf ein Wortgefecht mit dir einlassen würde, um dich am Ende wie immer zu besiegen, muss ich mich jetzt wirklich beeilen. Ich wünsche dir einen schönen Tag. Auf bald …!«
    Matthias nickte und brachte sie zur Tür.
    »Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Tag und dass die Korbmacherin ein gesundes Kind bekommt!«, rief er ihr nach.
    Luzia nickte dankbar, aber das konnte der junge Schmied schon nicht mehr sehen. Das dichte Schneetreiben hatte sie bereits verschluckt.
     
    Das kleine, frei stehende Häuschen in der Eckgasse wirkte bereits ein wenig windschief und baufällig. Wie die anderen Häuser in Seefelden war auch die Unterkunft der Korbmacher aus unregelmäßigen Steinen und wettergegerbtem Fachwerkgebälk errichtet. Rechts schmiegte sich ein wackliger Holzverschlag an die krumme Außenmauer. Die Eckgasse bildete Seefeldens Grenze, bevor die ersten Felder kamen und der Wald begann.
    Weil die Fensterluken mit einer Schweinsblase und grob gezimmerten Läden verschlossen waren, drang lediglich ein schmaler Lichtstreifen durch die fingerbreiten Ritzen, dennoch war das Leuchten anheimelnd.
    Noch bevor die junge Wehmutter den Türklopfer betätigte, schwang die Tür schon auf. Irmtraud stand vor ihr. Sie war um die dreißig und wohnte im Nachbarhaus. Sie half bei der Geburt, weil sie selbst drei Kinder hatte, doch Luzia ahnte gleich, dass die kindlich wirkende Frau mit ihrer Aufgabe überfordert war.
    »Dem Himmel sei Dank, dass du endlich da bist!« Die Erleichterung über das Eintreffen der Wehmutter stand Irmtraud ins Gesicht geschrieben. Völlig aufgelöst und mit hochroten Wangen stand sie vor Luzia und jammerte: »Ich glaube nicht, dass Selma das überleben wird! Wir sollten besser gleich Pater Wendelin holen lassen!«
    Dabei machte Irmtraud immer noch keine Anstalten, Luzia ins Haus zu lassen, sondern klagte unentwegt weiter: »Der
Himmel steh uns bei! Glaub mir, die Umstände sind nicht günstig! Ein solcher Sturm zum vollen Mond und das auch noch so kurz vor den Raunächten – die Zeichen stehen nicht gut! Gallus, der alte Sterndeuter zu Überlingen, will gar schon einen Schweifstern gesehen haben!«
    Großer Gott, Luzia mochte dieses aufgeregte Geplapper überhaupt nicht. Sie seufzte, während sie Irmtraud entschlossen zur Seite schob, um endlich in die Stube zu gelangen. Sie wusste, dass der Sturm kurz vor den Raunächten die Leute das Fürchten lehrte. Ein wenig unheimlich waren die Nächte zwischen der Thomasnacht am 21. Dezember und dem Epiphaniastag am 6.Januar ja auch. Seit jeher galten die Tage zwischen den Jahren als verwunschene Zeit. Nie war der Schleier zwischen den Welten dünner. Die Geister der Toten trieben in diesen Nächten ihr Unwesen. Im tobenden Sturm, aber auch in den dicken Nebelschwaden, die in den Herbst-und Wintermonaten den Bodensee oft tagelang unsichtbar werden ließen, fürchtete man die Grenze zu überschreiten. Die Grenze zur Anderswelt, die Schwelle zum
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