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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
Autoren: Irene Zimmermann
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lasse mich auf dem nächstbesten Mäuerchen nieder und teste erst mal die Pralinen. Ich hatte ja keine Ahnung mehr, wie zartschmelzend eine Nussnougatfüllung schmecken kann! Und dann erst dieses verführerische Pralinéherz mit dem knackigen Macadamia-Kern ... Meine Singleexistenz ist jetzt schon ein voller Erfolg! Leider fällt mein Blick dann aber auf die Wand gegenüber. Zwischen Werbeplakaten für Weichspüler und eine Zusatzversicherung für Zahnersatz lese ich:
    Alleinsein muss nicht sein – Rufen Sie noch heute unsere kostenlose Hotline an. Best-Age-Partnervermittlung – Damit Sie morgen wieder glücklich sind!
    »Pfff« mache ich und werfe dem Plakat mit dem glücklich lächelnden Paar (braungebrannt, silbergrau und horrormäßig sympathisch) einen vernichtenden Blick zu. Die Mauer hier hat ein schlechtes Karma, würde Helen jetzt sagen, und vermutlich hätte sie recht. Meine Laune war vorhin eindeutig besser. Inzwischen habe ich bereits leichtes Magendrücken, was aber auch daran liegen kann, dass ich in Rekordgeschwindigkeit ein ganzes Pfund Pralinen vernichtet habe. Wenigstens muss ich jetzt schon mal weniger nach Hause tragen. Ich packe meine vier Tüten (eine aus der Apotheke, drei aus dem Supermarkt) und hoffe, dass ich nach dieser Schlepperei noch genügend Energie habe, Rudolf endgültig rauszuschmeißen.
    Da schickt mir ein gütiges Schicksal ein Taxi, und das nur, weil ich eine Kopfbewegung mache, die man mit sehr viel Fantasie als Stoppzeichen ansehen könnte. Das Taxi, das im Schritttempo die Hauptstraße entlangfährt, hält sofort, und bevor ich es mir noch anders überlegen kann, sitze ich auch schon neben Konstantinos Sarantakos, und er reicht mir gleich mal seine Visitenkarte (»Meine Telefonnummer, meine E-Mail-Adresse. Sozusagen alles drauf, was man fürs Leben braucht!«). Warum eigentlich nicht mal mit dem Taxi, denke ich, und außerdem hört sich der Name Konstantinos nach Urlaub an, nach Korfu, nach blauem Meer, Sirtaki bis spät in die Nacht, leider aber auch nach diesem elenden Schnaps, dessen Namen ich verdrängt habe, weil er mir damals die nächsten drei Tage komplett versaut hat.
    »Wo soll es denn hingehen, schöne Frau?«
    Ich erliege kurzzeitig Konstantinos’ Charmeoffensive. »Fahren Sie einfach los«, sage ich, verstaue meine Einkäufe im Fußraum und lehne mich bequem zurück. Erst ein zweiter Blick (ich entdecke buschiges Brusthaar bis zum Hals und zwei Goldkettchen) führt dazu, dass ich wieder vernünftig werde. »Zum Bahnhof!«, sage ich knapp.
    Ich bin heute so entschlussfreudig wie selten.

16. Kapitel
    »Und jetzt?« Konstantinos, inzwischen schon eine Art treuer Begleiter, sieht mich fragend an.
    Ich habe in der Zwischenzeit meine Fahrkarte nach Berlin gekauft. Mein schlechtes Gewissen Papa gegenüber kann ich damit beschwichtigen, dass meine Anwesenheit in Aulendorf anscheinend ja auch nichts besser macht. Und dann gibt es noch die beruhigende Versicherung von Doktor Bäuerle, dass es gar nicht so schlimm sei. Beim Warten in der ewig langen Schlange vor dem Schalter habe ich Frau Blumer entdeckt, auf dem Bahnsteig auf und ab laufend, in einem todschicken Kostüm, ein Kroko-Aktenköfferchen in der Hand. Ich würde zu gern wissen, was mit dieser Frau los ist, aber weil das Taxameter läuft und läuft, verzichte ich darauf, sie anzusprechen. Außerdem muss ich meine Kräfte für Rudolf aufsparen.
    »Und jetzt? Wohin?«, wiederholt Konstantinos.
    »Nach Hause«, seufze ich. »Fahren Sie Richtung Galgenbühl.«
    Er nickt zufrieden. »Sehr schön.«
    Für ihn sicherlich, denke ich, als ich die Zahlen auf dem Taxameter sehe. Aber heute ist der erste Tag in meinem neuen Leben, wer wird da schon ans Geld denken?
    Hätte ich aber vielleicht doch tun sollen, denn als wir unter den neugierigen Blicken des Ehepaars Stützle (das seine Siesta mal wieder am Küchenfenster verbringt) vor unserem Grundstück halten, stelle ich fest, dass ich leider nur noch vier Euro zwanzig in meinem Geldbeutel habe. »Kreditkarte?«
    Aber Konstantinos bleibt hart: »Nur Bares ist Wahres.«
    Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als ins Haus zu hasten und mir etwas zu pumpen – während das Taxameter weitersaust und Konstantinos hörbar bester Laune ist. »Griechischer Wein ...«, schmettert er mir nach.
    »Hallo?«, rufe ich die Treppe hoch, aber nichts rührt sich. Dafür hängt eine Nachricht für mich an der Küchentür:
    Liebes, musste mit Papa mal kurz weg. Mach dir keine Sorgen, es
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