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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition)
Autoren: Margo Lanagan
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junge Kerle mit einem Lächeln im Gesicht, nach all diesen Jahren des Elends. Ich hätte nie gedacht, dass mir das lieber wäre, aber es ist besser als das Ödland, das es bis dahin war, ganz ohne Ehefrauen, ohne irgendwelche anderen Frauen. Und auch jetzt gibt es noch den einen oder anderen Mann, der sich um der guten alten Zeiten willen ab und zu mit mir vergnügt oder weil er sich keine Ehefrau leisten kann oder mit dem Thema Heiraten ein für alle Mal abgeschlossen hat.
    Und wer könnte ihnen einen Vorwurf daraus machen, nach dem, was die Robbenfrauen ihnen angetan haben?
    Als Ostler Grinny an jenem Morgen angerannt kam, hielt ich das zuerst für Misskaellas Machwerk. So eine verschlagene Hexe, dachte ich, sogar vor mir hat sie es geheim gehalten, damit ich es nicht meinen Mädchen verrate und die jemand anderem. Wir alle folgten Ostler und Miss nach draußen und bis zum oberen Absatz der Stufen, die zum Strand hinunterführen. Von dort aus sahen wir weiter südlich die ganzen abgeworfenen Kleider und die Männer, die umherstolperten, mit den Armen ruderten, auf die Knie fielen oder sich heulend aneinanderklammerten; aus der Entfernung wirkten sie winzig, ihr winziges Wehklagen segelte auf dem Wind bis zu uns herüber.
    Aber die wedeln da unten ja auch mit ganz kleinen Kleidern rum!
, rief ich.
    Ja, ich sag doch, sie haben alle Jungen mitgenommen
, sagte Ostler.
Bis auf den letzten! Meinen Banter und meinen Toby! Ich flehe dich an, Misskaella, wenn du irgendwas tun kannst, um sie zurückzuholen
 –» Er begann zu schluchzen.
    Ich weiß nicht, wie sie’s angestellt haben, und erst recht nicht, wie man sie wieder rausholen kann.
Was für eine großartige Schauspielerin, dachte ich.
    Du hast den Plan für die Frauen ausgeheckt und sie ausgerüstet, stimmt’s?
, sagte ich, nachdem Ostler schluchzend von dannen gezogen war, um sich unten am Ufer zu den anderen Weinenden zu gesellen.
    Doch:
Nein, nein, nein
, gab sie zurück.
Ich hab damit nichts zu tun
,
Trudle
.
    Und ob du das hast!
, sagte ich und gab ihr einen Schubs.
Du hast die kleinen Häute mit einem Zauber belegt, damit sie sich verwandeln, wenn sie das Meerwasser berühren.
    Hab ich nicht, ich sag’s dir doch. Wie sollte ich das auch anstellen?
Ihr Blick wanderte über den Strand.
Kein Sterbenswörtchen hab ich davon gewusst. Sie sind alle weg – und alle Landjungen auch!
    Ich erinnere mich, wie Penny Misskaella und mir einen ihrer typischen Blicke zuwarf.
Seid ihr froh, dass sie weg sind?
    Froh? Ich schätze schon
, antwortete Miss ziemlich ernsthaft.
Das hätte ich diesen verweichlichten Weibchen niemals zugetraut!
    Die Männer sind bestimmt ganz schön traurig
, sagte Pen.
    Ha!
, rief ich.
Geschieht ihnen ganz recht, nicht wahr, Kaella?
    Ich kann nicht behaupten, dass mir das missfällt
, sagte sie zuckersüß.
    Ich stehe auf der höchsten Straße und blicke zu dem riesigen Haus empor. Jetzt gehört es mir, und das muss ich erst mal sacken lassen. Miss hatte zwar immer gesagt, dass sie es mir vererben würde, aber was hieß das schon? Ich hätte nie gedacht, dass sie wirklich einmal sterben würde; sie war wie ein Fels oder ein großer alter Baum – schon immer da gewesen und für immer da.
    Oh, ist das kalt. Ich lehne mich gegen den Wind und öffne das Tor, torkle auf die Eingangstür zu. Sie geht nur ein Stück auf, bis sie gegen etwas Klumpiges im Flur stößt – gegen den Sessel, der sonst nirgendwo mehr hinpasst. Ich sperre das Tosen aus und trete in die Finsternis hinein. In fast völliger Dunkelheit schüttele ich meinen Korb ab, stelle ihn auf den Sessel und lege die beiden Mäntel darüber.
    Dieses Haus ist mir unheimlich, so vollgestopft mit Möbeln und Kinkerlitzchen. Jetzt gehört alles mir. Was zum Teufel soll ich mit all dem Zeug?
    Ich schleiche die Treppe hoch, bleibe immer wieder an der Ecke einer Kiste oder einem Stuhlbein hängen, schlängle mich immer langsamer voran, weil der Durchgang zum vorderen Schlafzimmer immer noch enger wird.
Dadrin ist ein Bett
, hatte Miss gesagt, als sie mich damals mit hergenommen hatte, ohne mir genau zu zeigen, wo es stand.
    Umso klarer sagte sie mir, was sie mir zeigen wollte.
Siehst du den großen Schrank da, den mit dem Spiegel?
    Oje,
sagte ich beim Anblick des Bergs zwischen uns und dem Spiegel.
    Keine Sorge, man kommt dran vorbei. Hier, schau mal.
Und sie zeigte mir eine Reihe von Kisten, die ich verschieben konnte.
Die passen alle hier in die Nische unterm Fenster. Jetzt verrücken wir sie
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