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Security

Security

Titel: Security
Autoren: Dean R. Koontz
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Stelle.
    Sie hat ihn nicht blutig gekratzt.
    Vielleicht beim nächsten Mal.
    Sie blieb noch mehr als eine halbe Stunde mit ihrem VR-Set auf dem Ruhesessel in dem kleinen Raum neben ihrem Schlafzimmer sitzen und versuchte den gewaltsamen Mißbrauch, den ein längst Verstorbener ihr anzutun drohte, zu bewältigen.
    Im Alter zwischen fünf und siebzehn Jahren hatte die junge Susan unzählige Übergriffe ihres Vaters hinnehmen müssen. Das ausgeklügelte Therapieprogramm umfaßte insgesamt zweiundzwanzig dieser Situationen, die sie sich allesamt ins Gedächtnis gerufen und peinlich genau digital rekonstruiert hatte. Ähnlich wie die vielen verschiedenen Wege, die man während eines modernen Computerspiels einzuschlagen vermochte, konnte jede dieser Situationen eine Vielzahl von Verläufen nehmen. Dies hing im einzelnen nicht nur von Susans Verhalten während der entsprechenden Sitzung ab, sondern wurde auch durch die dem Programm verliehene Fähigkeit beeinflußt, den Handlungsverlauf zufällig abzuändern. Folglich wußte sie nie genau, was ihr als nächstes bevorstand.
    Sie hatte sogar eine schreckliche Episode geschrieben und animiert, in der ihr Vater mit solch brutaler Wut auf ihren Widerstand reagiert, daß er sie ermordet, indem er wiederholt auf sie einsticht.
    Bisher, nach achtzehn Monaten dieser selbstverordneten Therapie, hatte Susan sich noch nicht in jenem tödlichen Szenario wiedergefunden. Sie fürchtete sich davor, mit der Episode konfrontiert zu werden – und hoffte, sie würde ihre Therapie bald beenden können, noch bevor das Programm sie von selbst in diesen ganz besonderen Alptraum stieß.
    Ihr Tod in der VR-Welt würde natürlich nicht ihren Tod in der wirklichen Welt zur Folge haben. Nur in irgendwelchen abgedroschenen Filmen konnten Ereignisse in der virtuellen Welt sich tatsächlich auf die Realität auswirken.
    Dennoch war die Arbeit an dieser blutigen Sequenz so schwierig gewesen wie kaum etwas anderes zuvor – und diese Situation dreidimensional zu erleben, nicht als VR-Designerin, sondern als Figur des Szenarios, war mit Sicherheit eine verheerende emotionale Erfahrung. Sie konnte wirklich nicht absehen, wie stark die psychische Auswirkung letztendlich sein würde.
    Ohne den Einbau eines solchen Risikoelements wäre diese Therapie jedoch weniger wirksam gewesen. Während jeder Sitzung, in der sie in die virtuelle Welt eintauchte, mußte sie unbedingt einkalkulieren, daß ihr Vater eine beängstigend reale Gefahr für sie darstellte und daß ihr tatsächlich schreckliche Dinge zustoßen könnten. Ihre Auflehnung gegen ihn würde nur dann moralisches Gewicht und emotionalen Wert haben, wenn sie während der Sitzung fest davon ausging, daß jeglicher Widerstand furchtbare Folgen nach sich ziehen könnte. Jetzt stellte sich der motorbetriebene Sessel so ein, daß Susan aufrecht stand. Der Gurt hielt sie auf der Lederfläche fest.
    Sie bewegte ihre Füße. Die gepolsterten Rollen ermöglichten es ihr, eine Gehbewegung zu simulieren. Je nach Situation ging daraufhin in der virtuellen Welt die jüngere Susan – Kind oder Jugendliche – entweder auf ihren Vater los oder wich entschieden vor ihm zurück. „Nein“, sagte sie. „Bleib mir vom Leib. Nein.“ Sie sah so furchtbar verletzlich aus mit diesem VR-Set, festgehalten von diesem Gurt, vorübergehend blind und taub für die reale Welt, ihre Wahrnehmung ganz auf die virtuelle Ebene gerichtet.
    So verletzlich. Noch immer kämpfte sie mutig, um die Vergangenheit zu überwinden. Sie war ganz allein in ihrem großen Haus, und nur die Schatten der Vergangenheit leisteten ihr Gesellschaft.
    Sie sah so verletzlich aus, so zart und zerbrechlich, so tapfer in ihrem Bestreben, durch Therapie Erlösung zu finden, daß der Hauscomputer sprach, ohne vorher dazu aufgefordert worden zu sein. Er sprach mit der synthetisierten Stimme Alfreds, sprach voller Gefühl und Anteilnahme: „Du bist nicht mehr allein.“ Sie hörte im Moment nur die Stimmen in der virtuellen Welt, ihre eigene und die ihres Vaters. Aus diesem Grund konnte der Hauscomputer gefahrlos sagen: „Ich liebe dich, Susan.“
     
     

 
     
     
    Sieben
     
     
    Emil Sercassian, der Koch, hatte das Abendessen hergerichtet und in einem der Kühlschränke und einem der Öfen bereitgestellt. An einer Pinnwand hing eine entsprechende Nachricht.
    Es war ein sonniger Juniabend. Susan aß an einem Tisch auf der Veranda. Zunächst Salat mit Linsen und Kichererbsen. Dann einen Maisfladen mit Gurken
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