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Security

Security

Titel: Security
Autoren: Dean R. Koontz
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sie.
    Sie sprach diese Worte nicht nur in der virtuellen Welt aus, sondern auch in der realen. Ihre Stimme klang leise und zerbrechlich, wenngleich nicht wie die Stimme eines Kindes.
    Als kleines Mädchen hatte sie es nie fertiggebracht, nein zu sagen.
    Niemals.
    Nicht ein einziges Mal.
    Aus der Angst, Widerstand zu leisten, war allmählich die Angewohnheit geworden, sich zu unterwerfen. Aber dies war eine Gelegenheit, die Vergangenheit rückgängig zu machen. Dies hier war Therapie, ein Programm virtueller Erfahrung, das sie für sich selbst entworfen und das sich als außerordentlich wirksam erwiesen hatte.
    „Daddy, ich will das nicht machen“, sagt sie.
    „Es wird dir gefallen.“
    „Aber es gefällt mir nicht.“
    „Das wird es schon noch.“
    „Das wird es nicht. Es wird mir nie gefallen.“
    „Du wirst überrascht sein.“
    „Bitte nicht.“
    „Ich will es jetzt“, beharrt er.
    „Bitte nicht.“
    Nachts sind sie allein im Haus. Das Personal hat zu diesem Zeitpunkt längst Feierabend, und die beiden auf dem Anwesen untergebrachten Hausangestellten bleiben nach dem Abendessen in ihrer Wohnung über dem Poolhaus, wenn sie nicht ausdrücklich ins Hauptgebäude gerufen werden. Susans Mutter ist seit mehr als einem Jahr tot.
    Sie vermißt ihre Mutter so sehr.
    Und nun streicht Susans Vater in dieser mutterlosen Welt über ihr Haar und sagt: „Ich will es jetzt.“
    „Ich sag’s weiter“, droht sie und versucht, sich vor ihm zu verkriechen.
    „Falls du versuchst, es irgend jemandem zu erzählen, werde ich dafür sorgen müssen, daß niemand dir je wieder zuhören kann. Verstehst du, mein Schatz? Ich werde dich töten müssen“, sagt er nicht etwa in bedrohlichem Tonfall, sondern mit einer nach wie vor sanften Stimme, heiser vor perverser Begierde.
    Susan ist überzeugt davon, daß er die Wahrheit sagt, denn er spricht die Drohung in aller Ruhe aus, und bei der Aussicht, sie ermorden zu müssen, glaubt sie in seinen Augen scheinbar echten Kummer zu erkennen.
    „Bring mich nicht dazu, das zu tun, Engelchen. Bring mich nicht dazu, dich wie deine Mutter zu töten.“
    Susans Mutter ist plötzlich an irgendeiner Krankheit gestorben; die kleine Susan kennt die genaue Ursache nicht, wenngleich sie das Wort Infektion gehört hat. Jetzt sagt ihr Vater: „Ich habe nach dem Abendessen ein Beruhigungsmittel in ihr Getränk geschüttet, damit sie später die Nadel nicht spüren würde. In der Nacht, als sie schlief, habe ich ihr die Viren injiziert. Verstehst du, Liebling? Krankheitserreger. Eine Nadel voller Viren. Ich habe ihr die Viren, die Krankheit, mit einer Nadel tief in den Körper befördert. Virulente Infektion des Herzmuskels; es hat sie sofort umgehauen. Dann zunächst eine Fehldiagnose, die erst nach vierundzwanzig Stunden korrigiert wurde, so daß das Virus unterdessen jede Menge Schaden anrichten konnte.“
    Sie ist zu jung und kann viele seiner Ausdrücke noch nicht verstehen, aber sie erfaßt den Kern seiner Behauptung, und sie spürt, daß er die Wahrheit sagt.
    Ihr Vater weiß über Nadeln Bescheid. Er ist Arzt.
    „Soll ich eine Nadel holen gehen, Engelchen?“
    Sie bekommt vor Angst kein Wort heraus. Nadeln jagen ihr Entsetzen ein.
    Er weiß, daß Nadeln ihr Furcht einjagen.
    Er weiß es.
    Er weiß, wie man Nadeln benutzt, und er weiß, wie man Furcht benutzt.
    Hat er ihre Mutter mit einer Nadel getötet?
    Er streicht noch immer über ihr Haar.
    „Eine große, spitze Nadel?“ fragt er.
    Sie schlottert, außerstande zu sprechen.
    „Soll ich dir eine große, glänzende Nadel in den Bauch stechen?“ fragt er.
    „Nein. Bitte nicht.“
    „Keine Nadel, Engelchen?“
    „Nein. „
    „Dann mußt du tun, was ich will.“
    Er hört auf, über ihr Haar zu streichen. Seine grauen Augen scheinen plötzlich zu leuchten, als glimme in ihnen ein kaltes Feuer. Wahrscheinlich spiegelt sich dort bloß das Licht der Lampe, aber seine Augen ähneln jetzt den Augen eines Roboters in einem unheimlichen Film, als wäre da eine Maschine in seinem Innern, eine Maschine, die außer Kontrolle gerät.
    Seine Hand gleitet hinab auf ihre Schlafanzugjacke. Beiläufig öffnet er den ersten Knopf.
    „Nein“, sagt sie. „Nein. Faß mich nicht an.“
    „Doch, Liebling. Ich will es jetzt.“ Sie beißt in seine Hand.
    Der Motorsessel paßte sich – vergleichbar einem Krankenhausbett – selbsttätig der Haltung an, die Susan in der VR-Welt einnahm, und half so den Eindruck des therapeutischen Szenarios zu
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