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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten
Autoren: Michael Theurillat
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hätte es nicht sagen können.
    Er trat aus dem Aufzug, schritt den Flur entlang zu seinem Büro. Rechts von ihm befanden sich die offenen Arbeitsplätze. Hellgraue Tische und Rollschränke. Großzügig angeordnet, in Zweier- und Vierergruppen.
    Sein Gipsfuß machte ein klopfendes Geräusch auf dem Laminatboden. Zwei Mitarbeiter hoben die Köpfe und grüßten flüchtig. Plötzlich kam sich der Kommissar vor wie Kapitän Ahab auf dem Oberdeck der Pequod .
    Zehn Meter weiter links war sein Office. Rosas Schreibtisch war verwaist. Eschenbach trat in sein Zimmer, ging zum Fenster und öffnete es. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und fuhr den Computer hoch.
    Eschenbach hatte beschlossen, sich seine E-Mails anzusehen. Koblers Sekretärin würde sich schon melden, dachte er – und gleichzeitig hoffte der Kommissar auf eine positive Nachricht aus dem Triemli.
    Es waren über fünfhundert. Bei vielen war er nur im CC gewesen, er musste also nicht antworten oder etwas unternehmen. Das störte den Kommissar keineswegs. Im Gegenteil. Es war wie ein Bach, der an ihm vorbeirauschte. An dessen Ufer er nun saß und den er interessiert beobachten konnte.
    Auch bei der Mitteilung, die er gerade vor sich hatte, war er nur im CC gewesen. Es ging um eine neue Waffe. Eschenbach hatte mit Waffen nichts am Hut, hatte sie nie gemocht. Doch plötzlich interessierte ihn brennend, was in dieser Mail stand, denn diese Waffe war nicht tödlich.
    Der Kommissar las den Text aufmerksam durch. In dem kurzen Bericht hieß es, dass der TASER (so der Name der Elektroschock-Pistole) künftig bei der Kantonspolizei zum Einsatz kommen werde. Eine Elektroimpulswaffe, die zwei mit Widerhaken versehene Projektile gegen den Körper der Zielperson schoss und danach kontrollierte elektrische Schläge durch die mit den Projektilen verbundenen Drähte schickte.
    Den folgenden Absatz las der Kommissar zweimal. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Waffe nicht gegen Personen mit Herzschrittmachern, Herzproblemen und dergleichen gerichtet werden dürfe. »Als ob man das vorher wüsste«, murmelte Eschenbach. Er ging zu Rosas Schreibtisch und suchte in der Rollkartei Salvisbergs Nummer.
    »Rauchst du immer noch?«, fragte der Pathologe, als Eschenbach ihn endlich in der Leitung hatte.
    »Hör auf mit dem Blödsinn – kennst du TASER ?«
    »Die neue Elektroschock. Wir haben sie letztes Jahr getestet. Fährt recht in die Glieder, kann man sagen.«
    »Und ist besser als der Tod«, sagte Eschenbach mit einem Seufzer. »Ich hab’s gerade gelesen. Vorausgesetzt natürlich, dass man kein krankes Herz hat. Und genau deshalb ruf ich dich an, Kurt. Ist es möglich, dass Charlotte Bischoff doch getötet wurde, und zwar mit einem TASER ?«
    Eine kurze Pause entstand.
    »Möglich, möglich …«, sagte Salvisberg etwas gehässig. »Du kommst aber auch immer mit Sachen.« Wieder wurde es still am anderen Ende.
    »Bist du noch da, Kurt?«
    »Ja!«, hallte es schwach aus weiter Ferne. »Ich suche gerade die Akte.«
    »Herrgott, das müsstest du doch aus dem Kopf wissen.
Sie hatte ein schwaches Herz. Da sind diese Dinger doch tödlich.«
    Zeit verging.
    Eschenbach trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Kuuuurt?!«
    »Ich sehe nichts.« Die Stimme kam näher, und ein Hustenanfall folgte.
    »Was heißt das, du siehst nichts?«
    »Ich hab die Bilder vor mir. Thorax, frontal. Man müsste die Einschüsse der Projektile erkennen«, sagte der Pathologe.
    »Und Rücken, Beine, Oberarme … Die könnten ja auch dort sein. Würdest du so lieb sein und es an der Leiche überprüfen?«
    Salvisberg seufzte. »Ist in London, das Kind. Vorgestern haben wir sie zurückgeschickt. Per Luftpost.«
    Eschenbach schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Scheiße!«
    »Kannst du wohl laut sagen«, erwiderte Salvisberg. »Und stell dir vor, ich hab wieder zu rauchen angefangen.«
    »Gibt es denn keinen Weg, wie wir das noch überprüfen können?«
    »Du hörst mir gar nicht zu. Egal. Rauch jetzt leichtere … 3 mg Teer, 0 . 3 mg Nikotin. Vielleicht kann ich mich rausschleichen.«
    »London, Kurt! Kannst du da etwas machen?«
    Krachender Husten. »… werde es versuchen. Aber … versprich dir nicht zu viel davon. Diese Elektroschock-Dinger gibt’s nämlich auch ohne Projektile. Meine Freundin hat so einen Apparat. Klein und handlich. Wenn du den jemandem auf die Brust drückst, dann siehst du gar nichts.«
    »Aha. Versuch’s trotzdem«, sagte Eschenbach. Und
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