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Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Autoren: Jack L. Chalker
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sieht, daß Sie wirklich ein Neuzugang sind«, schnaubte der Hakazit-Führer. »Nichts von Verbeugen und Kratzfuß und angeborenen Demutsgesten.«
    »Für ein Solidogramm?« gab Marquoz zurück.
    Der andere lachte.
    »Einer meiner Vorgänger ließ die Leute seine Fotografie grüßen, die überall hing«, erklärte er. »Selbstredend hielt er sich nicht lange auf.«
    Marquoz betrachtete das Abbild und dachte angestrengt nach.
    »Das ist also der Grund für diese vielen Vorsichtsmaßnahmen? Alle haben es darauf abgesehen, Sie aus dem Weg zu räumen?«
    Der Höchste Lord lachte brüllend.
    »Jetzt weiß ich, daß Sie ein Neuzugang sind«, meinte er, noch immer lachend. »So eine Frage! Sagen Sie, wie sind Sie zu diesem Schluß gekommen?«
    »Die meisten Diktatoren fürchten Attentate«, erwiderte Marquoz. »Das ist nicht ungewöhnlich, weil sie sich dadurch an der Macht halten, daß alle anderen sie fürchten.«
    Der Höchste Lord hörte auf zu lachen und betrachtete den Neuling mit Interesse.
    »Sie wissen also, daß das in der Tat eine Diktatur ist? Sie haben wenig Ähnlichkeit mit irgendeinem anderen Neuzugang, von dem ich je gehört habe. Kein ›Wo bin ich? Was mache ich hier?‹ und dergleichen. Das ist das Interessante an Ihnen, Marquoz.«
    Der Neuzugang schaute sich um.
    »Deshalb so viele Sicherheitsmaßnahmen? Weil Sie glauben, mit mir stimme etwas nicht?«
    »Hm, nein, eigentlich nicht. Jedenfalls nicht allein«, antwortete der Höchste Lord. »Ah, Sie nennen Hakazit eine Diktatur. Im reinsten Wortsinn trifft das wohl zu. Ich drücke auf eine Taste des Sprechgeräts, diktiere einen Befehl, und er wird unweigerlich ausgeführt, selbst wenn er noch so idiotisch sein sollte. Und trotzdem – nun, Hakazit ist auch die demokratischste Nation auf der Sechseck-Welt.«
    Marquoz’ Kopf zuckte hoch.
    »Wie? Wie war das?«
    »Ich bin siebenundfünfzig Jahre alt«, erklärte der Diktator. »Siebenundfünfzig. Und wissen Sie, wie viele Höchste Lords es in meiner Lebenszeit gegeben hat? Siebenundsechzig. Und mindestens einer davon herrschte fast vier Jahre lang. Der Rekord laut unserer neuesten Geschichte ist neun Jahre, drei Monate, sechzehn Tage, fünf Stunden und einundvierzig Minuten. In einer Geschichte, die über tausend Jahre zurückreicht.«
    Marquoz seufzte.
    »Liegt nahe«, murmelte er. »Und das trotz all dieser Schutzmaßnahmen, dieser Apparaturen, der modernsten Elektronik, die es gibt. Für jeden Zauber gibt es wohl ein Gegenmittel.«
    »Genau«, bestätigte der Höchste Lord. »In diesem Augenblick versuchen Hunderte von Offizieren eine Möglichkeit zu finden, wie sie an mich herankommen können. Einem wird es irgendwann in nächster Zeit gelingen, dann lande ich auch in den Geschichtsbüchern.«
    »Es wundert mich, daß Sie nicht wissen, wer sie sind, und mit ihnen kurzen Prozeß machen lassen«, meinte der Neuzugang praktisch. »Ich weiß, daß ich das tun würde.«
    Der Herrscher kicherte spöttisch.
    »Marquoz, Sie begreifen das Problem nicht. Jeder Hakazit macht das. Schulkinder tun es aus Spaß oder zur geistigen Übung. Ladenbesitzer, Barmixer; nennen Sie, wen Sie wollen. Alle. Man kann nicht mit allen kurzen Prozeß machen – dann wäre niemand mehr da, dem man diktieren kann.«
    »Das ist freilich ein Problem«, bestätigte Marquoz. »Ein Wunder, daß Sie diesen Posten haben wollten – oder daß ihn unter diesen Bedingungen überhaupt jemand haben will.«
    Der Höchste Lord wirkte betroffen.
    »Aber worin besteht der Sinn des Lebens, wenn nicht darin, Höchster Lord zu werden? Das ist das einzige, wofür man leben kann!«
    Das brachte Marquoz für einen Augenblick zum Schweigen, während er das Gehörte zu verdauen versuchte. Eine kriegerische Rasse ohne Kriege. Was ist das Ergebnis von Eroberung? Die Fähigkeit, alle herumzukommandieren, zu tun, was man will, alles zu bekommen, was man möchte. Der Gipfel aller Gedankenspiele. Und dieser Posten war hier vorhanden, stand offen, war von jedem erreichbar, ohne Rücksicht auf Rang, Geschlecht, soziale Stellung oder Autorität, dem es gelang, die herrschende Person zu beseitigen. Das war so verrückt wie nur irgend etwas, das er je gehört hatte, ein so unsinniges Gesellschaftssystem, wie er es sich je vorgestellt hatte – und es ergab absoluten, logischen Sinn. Das war der Haken. Es ergab Sinn.
    Er wechselte das Thema.
    »Tja, eines hat mich neugierig gemacht. Warum sagten Sie, Sie hätten nur tausend Jahre geschriebener Geschichte? Land und Rasse
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