Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sechseckwelt 04 - Rückkehr auf die Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 04 - Rückkehr auf die Sechseck-Welt
Autoren: Jack L. Chalker
Vom Netzwerk:
wird sich nicht ändern. Sie kommen von einer fremden Erscheinungsform, aber, wichtiger noch, von einer fremden Kultur. Sich an Ihren neuen Körper zu gewöhnen, wird relativ einfach sein; die kulturelle Anpassung ist jedoch sehr schwierig. Sie müssen die Kultur akzeptieren, die es hier schon seit Zehntausenden von Jahren vor Ihrer Geburt gibt. Sie werden anfangs keinen Gefallen daran finden, sie wird Ihnen unbequem und schwer zu akzeptieren sein. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß die hiesige Kultur nun einmal so ist, das Ergebnis von jahrtausendelanger Entwicklung, und daß sie uns entspricht. Wir werden tun, was wir können, um Ihnen bei dieser Anpassung zu helfen. Irgendwelche Fragen?«
    »Hunderte«, gab sie zurück. »Aber – erzählen Sie mir von dieser Kultur. Ich habe einiges gesehen und anderes erraten, aber ich möchte alles wissen.«
    »Sie werden das in den kommenden Tagen lernen«, sagte der Sekretär. »Nur ein paar Grundzüge. Wir sind aufgeteilt in Familiengruppen, und jede Gruppe besitzt einen Baum. Es ist ihr Baum, er gehört niemand anderem. Sie können einen anderen Baum auf dem Durchweg benutzen, aber zu keinem anderen Zweck. Fast alle Bäume sind hohl, wie dieser hier. Sie werden als Wohnungen verwendet. Wenn ein Baum sorgfältig gepflegt wird, kann er eine größere Bevölkerung ernähren, da das Regenwald-Klima hier das Wachstum enorm fördert. Für je fünftausend Personen gibt es einen Ortsrat, in dem die weisesten Senioren sitzen, das sind Männer. Das Alter wird hier verehrt. In Gaudoi, in der Nähe des Schacht-Tores, gibt es eine Wartungsverwaltung, die dafür sorgt, daß die Wege und Flugbahnen saubergehalten werden, die sich um den geringen Handel zwischen den einzelnen Orten kümmert und Streitigkeiten zwischen den Orten schlichtet.«
    »Männer, sagten Sie. Dann haben hier also die Männer das Sagen?«
    Der Sekretär öffnete überrascht den Schnabel. Er mußte kurz nachdenken.
    »Kulturell wird die Verantwortung geteilt«, erwiderte er. »Außenerhaltung des Baumes, Kultivierung von Laub und Früchten und die sorgfältige Ernte sind die Verantwortung der Männer, die auch die Rolle des Schützers von Baum und Familie gegen alle Gefahren übernehmen. Sie vertreten die Familiengruppe ferner nach außen. Frauen tragen die Verantwortung für innere Wartung, einschließlich Säubern, Einrichten und Schmücken, sowie für Nahrungszubereitung und -Verteilung und das Zurweltbringen und Aufziehen der Jungen.«
    Yua empfand das nicht als sonderlich logisch, ging aber nicht weiter darauf ein.
    »Und Berufe?« fragte sie. »Es ist doch gewiß nicht jeder Baum-Landwirt.«
    »Es gibt einige«, erklärte der Sekretär. »Ich habe einen solchen Beruf. Es gibt schließlich viel überzählige Männer, die sich mit dem Familienleben nicht durchbringen können. Ärzte, Anwälte, Händler und Wartungspersonal, das wird alles gebraucht. Diese Bücher mußten von jemandem geschrieben und gedruckt und gebunden und verteilt werden.«
    »Überzählige Männer?« sagte sie stirnrunzelnd. »Keine Frauen?«
    Er räusperte sich ein wenig.
    »Ich weiß, daß es Kulturen gibt, wo die Frauen eine andere Rolle einnehmen, aber nicht hier. Ich meine, schließlich kann ein Mann eine Reihe von Frauen, äh, bedienen, aber nicht andersherum. Das ist nur logisch, verstehen Sie.«
    Sie sah das nicht ein. Es war mehr als ein kleiner Schlag.
    »Welchen Platz nehme ich dann in einer solchen Kultur ein?« fragte sie argwöhnisch.
    »Heute nacht werden Sie als Gast der Senioren hier schlafen«, erwiderte er lässig. »Morgen führen Sie ein Gespräch mit Ihnen, dann kommen sie zu einer Familie, die bereit ist, Sie aufzunehmen.«
    Das gefiel ihr nicht.
    »Und wenn ich zu dieser Familie oder irgendeiner anderen nicht will?«
    Er lachte leise.
    »Es bleibt keine andere Wahl. Was wollten Sie denn essen? Und wo? Wo wollten Sie nachts schlafen? Sehen Sie? Hier müssen Sie eine Familie und einen Baum haben, oder Sie verhungern und sterben. Aber keine Sorge. Es gibt Säfte und dergleichen, die Ihnen helfen, sich anzupassen, ihre frühere Kultur zu vergessen und sich einzufügen.«
    Sie machte sich große Sorgen. Sie wollte nicht mit Drogen betäubt und einem Unterdrücker-Mann übergeben werden, für den sie nur Kinder zur Welt bringen durfte. Sie konnte es sich nicht leisten. Sie war nicht als Flüchtling auf die Schacht-Welt gekommen, sondern als Soldat. Sie hatte Aufgaben zu erfüllen, und diese Art von Leben gehörte nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher