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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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völlig stumpf war, bei der Werkstatt vorstellig zu werden, hielt sich in Grenzen.
    Der Klugscheißer Matthias hatte ihr zwar einmal gezeigt, wie sie einen Reifen selbst wechseln könne, aber diese Lektion war bereits wieder vergessen. Das Einzige, woran sie sich noch erinnerte war, dass sie keine einzige der Radmuttern hatte lösen können.
    Anna stieg in den Wagen, klappte als Erstes die Sonnenblende herunter. Jedes Lux, und sei es auch noch so schwach, verstärkte das Pochen in ihrem rechten Augapfel.
    Sie musste sich sputen. Mit ein bisschen Glück konnte sie es in zwanzig Minuten durch die Stadt schaffen, vorausgesetzt natürlich, es befand sich nicht wieder irgendeine neue Baustelle auf ihrem Weg. Und das war schließlich symptomatisch für Berlin.
    Anna betätigte die Zündung. Doch außer einem gequälten Orgeln geschah nichts.
    „Das darf doch nicht wahr sein!“, stöhnte sie und schlug genervt auf das Lenkrad.
    „Bitte ... spring an!“
    Aber der Wagen dachte auch beim zweiten Versuch nicht daran. Das konnte nur die Batterie sein, schlussfolgerte sie. Zwar war es nicht übermäßig kalt für Dezember, mit vier Grad über Null sogar recht warm, aber die Batterie war alt und gab offensichtlich nicht mehr genug Spannung ab. Sie überlegte, ob sie vielleicht einen Nachbarn um Starthilfe bitten sollte? Unmöglich! Das kostete zu viel Zeit. Zudem waren die meisten, die ihr in den Sinn kamen, entweder selbst schon auf dem Weg zur Arbeit oder aber sie schliefen noch.
    „Komm' schon. Einen Versuch noch! Und dann springst du an ...“
    Sie erinnerte sich an eine weitere Lektion, nach der sich eine altersschwache Batterie mit jedem Versuch den Motor zu starten nur noch mehr entlud. Ein Blick auf die Batterie-Kontrollleuchte bestätigte das. Sie flackerte nur noch müde.
    Trotzdem drehte Anna den Zündschlüssel ein drittes Mal um. Bei diesem Zündversuch hustete der Motor nur schwarzen Rauch aus dem Auspuff, sonst geschah nichts.
    Anna war der Verzweiflung nahe.
    Sich eine halbe Stunde zu verspäten, das ging ja noch, aber so wie es aussah, würde daraus bedeutend mehr werden. Sie hoffte gerade auf ein Wunder, da klopfte jemand an die Scheibe.
    Die war von ihrem Atem bereits völlig beschlagen, so dass Anna sie hastig freiwischte.
    Das Wunder war ein junger Mann von vielleicht Mitte zwanzig, der sie anlächelte. Anna kurbelte die Scheibe herunter. Einen Spalt nur. Sie lächelte verlegen zurück.
    „Hallo! Sieht nicht so aus, als würde die Kiste anspringen wollen ...?“ Dabei stieß er eine Atemwolke aus.
    „Ja ... also, ich meine nein!“
    „Ich könnte behilflich sein und anschieben? Was meinen Sie?“
    „Das wäre meine Rettung“, stieß sie aus. „Ich bin nämlich schon viel zu spät.“
    „Dann schauen wir, dass Sie hier schnell wegkommen!“
    Sie blickte sich unsicher um. In einiger Entfernung schoben vorbeifahrende Autos ihre Lichtkegel vor sich her, schnitten Streifen durch die Dunkelheit. Annas Straße dagegen war völlig unbelebt. Trotzdem fasste sie Vertrauen und ließ die Scheibe ganz herunter. Kalte Luft strömte in den Innenraum. Sofort fröstelte sie am ganzen Körper. Sie schob sich die Hände unter die wärmenden Oberschenkel.
    „Also, was muss ich tun?“
    „Erst einmal müssen wir Sie aus der Parklücke bekommen. Auf der Geraden schiebe ich dann so schnell ich kann. Wenn wir genug Tempo haben, legen Sie den zweiten Gang ein und betätigen die Zündung. Dabei die Kupplung langsam kommen lassen und Gas geben.“
    Die Erklärung kam so eindringlich, dass sie den Verdacht hatte, er hielte sie für unterbelichtet.
    „Aber vielleicht sorgen Sie erst einmal für freie Sicht? Da drinnen sieht's aus, als hätten Sie eine Nebelmaschine auf der Rückbank.“
    Sie nickte und rubbelte ein Sichtloch durch den Schleier aus Kondenswasser. Als sie ihren Kopf drehte, war der Mann verschwunden.
    „Nach links einschlagen!“ Sie blickte in den Rückspiegel. Er stand bereits am Heck und stützte sich ab. Sie lenkte ein, und er schob an. Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung.
    Die Parklücke war so geräumig, dass ein voller Lenkeinschlag ausreichte, um am Vordermann vorbei auf die Straße zu kommen. Als sie den Wagen ausgerichtet hatte, tauchte das Gesicht des Fremden wieder neben ihr auf. Sie erschrak.
    „Und denken Sie daran. Zweiter Gang, Zündung, Kupplung kommen lassen, Gas!“
    „Ja. Alles klar.“
    Er begab sich wieder nach hinten. Im Spiegel beobachte sie erneut, wie er sich kräftig gegen
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