Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
die Tür.
    »Seid Ihr das?«, erklang Shurqs Stimme aus der Dunkelheit des Grabes.
    »Warum?«, fragte Bagg. »Ja, ich bin es.«
    »Lügner. Ihr seid nicht Ihr, du bist Bagg. Wo ist Tehol? Ich muss mit Tehol sprechen.«
    »Er ist unpässlich«, sagte Bagg. Nachdem er die Tür beiseite geschoben hatte, um sich so Zutritt zu verschaffen, nahm er seine Laterne und quetschte sich ins Innere.
    »Wo ist Harlest?«
    »Im Sarkophag.«
    Der große Steinsarg besaß keinen Deckel. Bagg trat an ihn heran und spähte hinein. »Was tut Ihr da, Harlest?« Er stellte seine Laterne auf dem Rand ab.
    »Der vorige Bewohner war groß. Sehr groß. Hallo, Bagg. Was ich hier tue? Ich liege hier.«
    »Ja, das sehe ich. Aber warum?«
    »Es gibt keine Stühle.«
    Bagg wandte sich an Shurq Elalle. »Wo sind die Diamanten?«
    »Hier. Hast du gefunden, wonach ich gesucht habe?«
    »Das habe ich. Zu einem annehmbaren Preis, der Euch den größten Teil Eures Wohlstands lässt.«
    »Tehol kann haben, was da noch in der Schachtel ist. Das, was ich im Bordell verdient habe, werde ich behalten.«
    »Seid Ihr sicher, dass Ihr nicht doch einen Anteil an all dem wollt, Shurq? Tehol wäre mit fünfzig Prozent glücklich. Schließlich musstet Ihr das ganze Risiko tragen.«
    »Nein. Ich bin eine Diebin. Ich kann mir jederzeit mehr besorgen, wenn ich will.«
    Bagg blickte sich um. »Ist das hier für die nächste Zeit in Ordnung?«
    »Ich wüsste nicht, warum es das nicht sein sollte. Zumindest ist es trocken. Und die meiste Zeit auch ruhig. Aber ich brauche Ublala Pung.«
    Aus dem Sarkophag ertönte Harlests Stimme. »Und ich will scharfe Zähne und Krallen. Shurq hat gesagt, ihr könntet das für mich tun.«
    »Die Vorbereitungen dafür haben bereits begonnen, Harlest.«
    »Ich will unheimlich wirken. Es ist wichtig, dass ich unheimlich wirke. Ich habe geübt, zu zischen und zu fauchen.«
    »Kein Grund zur Beunruhigung«, sagte Bagg. »Ihr werdet wahrhaft entsetzlich sein. Wie auch immer, ich sollte jetzt gehen –«
    »Nicht so schnell«, unterbrach ihn Shurq. »Hast du irgendetwas über den Raub in Gerun Ebericts Anwesen gehört?«
    »Nein. Aber das ist auch nicht sonderlich überraschend, wenn Ihr es Euch genau überlegt. Geruns untoter Bruder verschwindet in der gleichen Nacht, in der irgendein halber Riese die meisten Wachen verprügelt. Davon einmal abgesehen, was sonst ist denn gewiss? Wird es tatsächlich irgend jemand wagen, in Geruns mit Schutzzaubern gesichertes Arbeitszimmer einzudringen?«
    »Wenn ich Menschenfleisch esse«, sagte Harlest, »wird es in meinem Bauch verfaulen, oder? Das bedeutet, dass ich stinken werde. Das gefällt mir. Es gefällt mir, über solche Dinge nachzudenken. Der Gestank des Verderbens.«
    »Der was? Shurq, wahrscheinlich wissen sie gar nicht, dass sie ausgeraubt worden sind. Und selbst wenn sie es wüssten, würden sie sich nicht rühren – solange ihr Herr nicht zurück ist.«
    »Wahrscheinlich hast du Recht. Wie auch immer, vergiss nicht, Ublala Pung zu mir zu schicken. Sag ihm, dass ich ihn vermisse. Ihn und seinen –«
    »Ich werde es nicht vergessen, Shurq. Versprochen. Noch etwas?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Lass mich nachdenken.«
    Bagg wartete.
    »Oh ja«, sagte sie nach einiger Zeit, »was weißt du von diesen Gräbern? In dem Sarkophag da drüben hat einst ein Leichnam gelegen.«
    »Wie könnt Ihr Euch da sicher sein?«
    Ihre leblosen Augen starrten ihn an. »Wir wissen es.«
    »Oh. Na schön.«
    »Also, was weißt du?«
    »Nicht viel. Die Inschriften auf den Türen sind in einer Sprache verfasst, die einem ausgestorbenen Volk gehört, das als Forkrul Assail bekannt ist; dieses Volk ist in unseren Angelpunkten in dem Wesen personifiziert, das wir den Abtrünnigen nennen. Die Gräber wurden für ein anderes ausgestorbenes Volk gebaut, das Jaghut genannt wurde und das wir der Feste zuordnen, die wir die Feste des Eises nennen. Die Schutzzauber hatten die Aufgabe, den Anstrengungen eines weiteren Volks einen Riegel vorzuschieben – dabei handelt es sich um die T’lan Imass, die die Todfeinde der Jaghut waren. Die T’lan Imass haben die Jaghut auf höchst unbarmherzige Weise verfolgt – auch jene, die beschlossen hatten, ihren Platz in der Welt aufzugeben. Besagte Individuen haben sich für etwas entschieden, was dem Tod sehr nahe kommt. Ihre Seelen reisten zu ihrer Feste, während der Körper zurückblieb und in Gräbern wie diesen hier aufbewahrt wurde. Das hat den T’lan Imass nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher