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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Ekman
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trottet in die Richtung, wo er liegt.
    Lillemor findet es merkwürdig, dass es ihn auch in der Wirklichkeit geben kann, die jetzt im Übrigen sehr sonderbar ist. Sie raschelt. In der Dämmerung dort stehen wohl noch Eichen. Oder Espen mit welkem Laub. Man steigt im Espenwald einen kleinen Hang hinauf, und dann geht es steil nach unten. Dort ist er. Nicht in die Erinnerung samt ihrer Befreiung versenkt, sondern in der Gegenwart glänzend, die so schnell vorbeigeht, dass sie die Spiegelung eines Tümpels hinterlässt, die nichts anderes ist als die Spiegelung einer Spiegelung eines Tümpels tief in der Zeit.
    »Niedriger Wasserstand«, stellt Babba fest.
    So sonderbar wie der Tümpel ist alles andere in diesem Moment, als sich die Dunkelheit verdichtet. Wie kann er zugleich schwarz sein und wie helles Metall glänzen?
    Babba hat keine Ader für die Dämmerungsmystik, sie brüllt: »Was zum Geier ist denn das?«
    »Ein Ast«, sagt Lillemor, da sie ebenfalls etwas aus dem Wasser ragen sieht.
    Babba geht an den Rand des Tümpels hinunter und patscht in den Morast. »Nein, das ist kein Ast«, ruft sie. »Komm her, dann siehst du es.«
    Lillemor geht ihr nach, und als sie unten ist, sieht sie, dass es kein Ast sein kann, an dem ein paar Zweige sitzen. Es sieht wie eine Hand aus.
    »Verdammt!«, sagt Babba.
    Sie starren die Hand an, sie hat knochige Finger. Es sieht aus, als gehörte sie jemandem, der aus dem Wasser hochzukommen versucht.
    »Wir kümmern uns nicht darum«, sagt Lillemor.
    Sie hat jetzt heftige Magenschmerzen. Wahrscheinlich von den drei Würstchen, die sie kalt auf nüchternen Magen gegessen hat, doch gehen sie mit einer Übelkeit einher, die eher etwas mit der Hand und den Fingern da draußen zu tun hat.
    Babba sagt nur: »Bleib hier stehen. Ich komme gleich wieder.«
    Lillemor bleibt stehen, obwohl sie es gar nicht will. Sie hat jedoch derartige Magenschmerzen, dass sie sich nicht rühren kann. Und was immer das da draußen sein mag, es kann nicht hochkommen und nach ihr greifen. Es ist tot.
    Ganz still steht sie in der Einsamkeit, die von Blätterrascheln und leisen Lüftchen auf dem Tümpel erfüllt ist, von Kälte unterm Waschbärpelz und Schmerzen im Magen. Babba kommt mit einem Rechen zurück und hat jetzt Gummistiefel an. Vorsichtig tastet sie sich mit den Füßen so weit in den Tümpel, bis sie mit dem Rechen an die Hand heranreicht. Möge sie doch zusammenfallen und verschwinden, denkt Lillemor. Sie betet geradezu. Doch die Hand, vom Rechen erfasst, kommt, während Babba rückwärtsgeht, immer näher ans Ufer.
    »Komm, schau dir das an.«
    Es ist jetzt ganz nahe vor ihr, noch immer zur Hälfte im Wasser. Lillemor will nicht hingehen.
    »Mensch, jetzt komm schon!«
    Warum gehorcht sie? Im Augenblick ist alles unerklärlich. Als sie am Rand des Tümpels steht, zieht Babba dieses Etwas heran. Was immer es sein mag. Ein Tier, allerdings starr. Und schwer. Tentakeln in alle Winde. Es trieft schwarz, als es aus dem Wasser kommt.
    »Lass das doch«, bittet Lillemor.
    »Siehst du denn nicht, was es ist!«
    Da nimmt Babba dieses starre schwarze Etwas vom Rechen und schwenkt es im Wasser. Zieht es dann wieder heraus, aber Lillemor kapiert immer noch nicht, was es ist. Da schwenkt sie es noch mal im Wasser und bittet Lillemor, einen Zweig oder dünnen Ast zu holen. Selbstverständlich gehorcht sie, wie verhext. Mit dem Ast kratzt Babba an dieser Hand und an einer anderen Hand, die vorher nicht zu sehen war. Riesige schwarze Pflanzenteile fallen ins Wasser. Im Halbdunkel zeichnen sich Konturen ab.
    »Jetzt erkennst du es hoffentlich.«
    »Ja«, flüstert Lillemor. »Es ist einer dieser Kandelaber.«
    »Richtig! Das Hochzeitsgeschenk. Bitte sehr.«
    Lillemor springt beiseite. »Wirf ihn wieder rein«, sagt sie.
    »O nein, so einen Fund wirft man kein zweites Mal weg.«
    Wieder muss sie warten, während Babba einen zweiten Rechen holt. Und wieder gehorcht sie! Sie tut es, weil sie Magenschmerzen hat und friert und weil sie es am allerwenigsten merkt, wenn sie in ihrem Pelz stillsteht und möglichst an überhaupt nichts denkt.
    Sie suchen jetzt systematisch, um auch den zweiten Kandelaber des Generals zu finden. Wenn man ein gutes Stück in den Tümpel hinauswatet, erreicht man mit einem Rechen sein Zentrum, größer ist er bei diesem niedrigen Wasserstand nicht. Sie wühlen herum. Es ist widerlich, mit den Zinken etwas aufzugabeln und hochzuheben. Meistens sind es Äste. Es gibt auch Dinge, die sich nicht
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