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Schwimmen mit Elefanten - Roman

Schwimmen mit Elefanten - Roman

Titel: Schwimmen mit Elefanten - Roman
Autoren: Verlagsbuchhandlung Liebeskind GmbH & Co. KG
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als ein Haus zu bauen, wo man bei null anfängt. Man muss gewissenhaft prüfen, was man entfernen muss und was man weiterverwenden kann. Wenn man aufgrund der räumlichen Enge auf zu viel verzichtet, wird es langweilig, will man hingegen alles behalten, versinkt man im Chaos. Die Frage ist, wie kann man den eigenen Ansprüchen gerecht werden, ohne außer Acht zu lassen, dass es sich um einen Bus handelt. Entscheidend ist, wie man diesen Balanceakt meistert.«
    Der Bus war unterteilt in eine Küche, die sich neben dem Fahrersitz befand, und einem Wohnzimmer, das sich über die vorderen Sitzplätze erstreckte, während die hinteren Reihen als Schlafgemach dienten.
    Wenn der dicke Mann sich durch den Bus schob, hatte man nicht den Eindruck, er fühle sich beengt. Voller Stolz zeigte er dem Jungen, wo der Wassertank installiert war, wie er die Fenster dekoriert und die niedrige Decke kaschiert hatte. Der Junge nickte jedes Mal bewundernd und schaute sich alles genau an.
    »Wie wäre es mit etwas Süßem, mein Freund? Nimm Platz, wo immer du magst.«
    Als er mit seinen Erläuterungen fertig war, machte er auf einem tragbaren Gaskocher Wasser heiß, rührte Kakao an und holte einige Törtchen aus dem Küchenschrank. Der Junge war überzeugt, dass der Mann es gewohnt war, seine Gäste auf diese Art und Weise zu empfangen. Sie setzten sich einander gegenüber an den honiggelben, blank polierten Tisch.
    »Aber wieso leben Sie in einem Bus?« wollte der Junge wissen, während er das klebrige Papier von einem Törtchen löste.
    »Nun ja, ursprünglich habe auch ich in dem Junggesellenheim gewohnt, aber dort hat alles nicht so recht funktioniert und der Umgang mit meinen Kollegen war etwas problematisch. Hier in meinem Bus ist es viel bequemer, und ich bin ganz für mich allein.«
    »Sind Sie auch Fahrer?«
    »Früher schon. Ich hatte ein blitzendes Abzeichen auf der Mütze und blütenweiße Handschuhe, mit denen ich den Bus durch die Gegend gesteuert habe. Aber den Führerschein musste ich schon vor langer Zeit abgeben.«
    »Weshalb?«
    »Wie du siehst, bin ich zu dick geworden. Ich passte nicht mehr auf den Fahrersitz. Selbst wenn ich mich gewaltsam reingezwängt hätte, wäre das Lenkrad blockiert gewesen und ich hätte nicht mehr steuern können. Ich kann niemandem einen Vorwurf machen. Es war allein meine Schuld«, sagte der Mann und nahm sich zwei Törtchen auf einmal. Wegen der vielen Fenster war es sehr hell im Bus, und die Schatten der im Wind raschelnden Palmwedel des Sagobaums flackerten über die Tischplatte. Das Junggesellenheim wirkte immer noch wie ausgestorben.
    »Seit ich schweren Herzens die Stelle als Fahrer aufgeben musste, arbeite ich als Hausmeister im Junggesellenheim. Ich mache sauber, führe Reparaturarbeiten aus oder schlichte Streitigkeiten unter den jüngeren Bewohnern. Das ist zwar nicht so schön wie Bus fahren, aber ich bin dankbar, dass man mich nicht entlassen hat. Außerdem habe ich diesen ausrangierten Bus zu meiner freien Verfügung … Na, was ist, Kleiner? Greif nur ordentlich zu!«
    Der Junge spülte den Puderzucker auf seinem Lippenflaum mit Kakao herunter, der so süß war, dass er Sodbrennen bekam. Trotzdem trank er seinen Becher aus, weil er nicht unhöflich erscheinen wollte.
    »In letzter Zeit habe ich stark an Gewicht zugelegt, und zwar so schnell, dass es mir fast Angst macht. Nicht nur, dass ich nicht mehr auf den Fahrersitz passe, es steht auch zu befürchten, dass ich bald in der Tür stecken bleibe und überhaupt nicht wieder aus dem Bus komme.«
    Mit diesen Worten strich er sich über seinen dicken Bauch, der nicht einmal mehr unter den Tisch passte, und lächelte sanftmütig. Der Junge musterte ihn unauffällig und verglich seine Leibesfülle mit der Breite der Bustür, wobei er feststellte, dass es in der Tat langsam eng wurde.
    »Sag mal, Kleiner, was ist denn mit deinem Mund passiert?«
    Der Mann nahm den Topf vom Gasherd und schenkte ihnen beiden noch eine Tasse Kakao ein. Er hatte diese Frage so unbefangen gestellt, dass der Junge, der es gewohnt war, dass man ihn anstarrte oder schnell wegschaute, überrascht war.
    »Oje, vielleicht darfst du ja gar nichts Heißes trinken. Es tut mir leid, wenn ich dir den Kakao aufgezwungen habe.«
    »Nein, keine Sorge. Die Narbe auf meinen Lippen stammt von einer Operation. Ich kann alles trinken. Und auch alles essen. Es schmeckt sehr lecker.«
    Um dem Mann zu zeigen, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, trank er den zweiten
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