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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Höllenqualen. Ansbert schämte sich dafür, dass sie die halb verfallenen Katen der Bauern, die auf ihrem Weg lagen, ausplünderten und die ausgemergelten Unfreien mit bloßer Klinge dazu zwangen, die Verstecke ihrer letzen Vorräte preiszugeben. Aber auch er litt unter den harten Bedingungen dieses Zuges und war sich – gänzlich unchristlich – selbst der Nächste. Der Weg durch das schroffe, felsige Gebirge zehrte weitaus mehr an den Kräften, als er vermutet hatte, und er bemitleidete die Bewaffneten, die der enormen Hitze in voller Rüstung trotzten.
    »Gerne.« Dankbar nahm er den prallen Schlauch entgegen und hob ihn an die aufgeplatzten Lippen. Zwar war die abgestandene Brühe, die seine verdorrte Kehle hinabrann, mehr als nur körperwarm. Doch kaum hatte das stark nach Leder schmeckende Wasser seine Zunge benetzt, spürte er, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Nachdem er sich ausgiebig gelabt hatte, setzte er den Trinkschlauch mit einem zufriedenen Seufzen ab und reichte ihn seinem Begleiter zurück. »In ein paar Tagen sind wir in Sofia«, bemerkte er zuversichtlich, nachdem er sich den Mund am Ärmel seiner leichten Cotte abgewischt hatte. »Auf dem Markt dort werden wir alle unsere Vorräte auffrischen können.« Arnfried von Hilgartsberg, der ebenfalls in gierigen Schlucken getrunken hatte, nickte bedächtig. »Ich hoffe, Ihr behaltet recht«, wandte er mit gerunzelter Stirn ein und betastete prüfend den Füllstand des Ziegenleders. »Seit wir Ungarn verlassen haben, werde ich das Gefühl nicht los, dass wir uns bereits jetzt in Feindesland befinden.« Erschrocken blickte Ansbert zu dem Ritter auf, der auf einem prächtigen Schimmel mit silbernem Trensenschmuck neben ihm hertrabte. »Wie meint Ihr das?«, fragte er verwirrt. Hatte Barbarossa nicht eigens Gesandte zu Isaak, dem Kaiser von Konstantinopel, ausgeschickt, damit dieser dem Heer der Kreuzfahrer das Recht garantierte, durch byzantinisches Gebiet zu reisen? Und hatte Isaak nicht auch Lebensmittel und Märkte in allen größeren Städten zugesagt. »Ich traue dem Frieden nicht«, erklärte Arnfried nüchtern. »Die Bevölkerung sieht in uns eine Bedrohung.« Mit einem leisen Fluch zügelte er seinen Hengst, da die Reiter vor ihm ins Stocken geraten waren, und klopfte dem nervös tänzelnden Tier den Hals, als dieses Anstalten machte auszubrechen. »Und außerdem ist der Kaiser in Konstantinopel dem Sultan Salah ad-Din verpflichtet. Er würde also dessen Zorn auf sich ziehen, wenn er uns hilft, das Heilige Land zu erreichen.«
    Das leuchtete Ansbert ein. Seit der Schlacht von Hattin im Juli vor zwei Jahren, die das Ende des Königreiches Jerusalem besiegelt hatte, hatte sich der Machtbereich Salah ad-Dins, des Eroberers von Jerusalem, unaufhaltsam ausgebreitet. Die Kreuzfahrerstaaten waren durch innere Ränkespiele und Intrigen zwischen den beiden Thronanwärtern Guy de Lusignan und Konrad von Montferrat derart geschwächt, dass die Christen inzwischen lediglich noch die befestigte Hafenstadt Tyros, die Grafschaft Tripolis und das Fürstentum Antiochia kontrollierten. Nur zäh hatte der Enthusiasmus des Deutschen Kaisers Kreise gezogen, und so waren mehr als vierundzwanzig Monate nach dem Fall der Heiligen Stadt die Deutschen die Ersten, die sich auf den Weg gemacht hatten, Jerusalem zu befreien. Zwar hatten der englische König, Richard Cœur de Lion – Richard Löwenherz – und Philipp II. von Frankreich dem Aufruf des Papstes folgend kurz nach der Niederlage von Hattin das Kreuz genommen. Doch soweit Ansbert wusste, war bisher noch keiner von beiden aufgebrochen. Wie schon seit Jahren stritten sie mal wieder um Burgen und Baronien in Frankreich.
    Etwas zittrig trocknete sich der junge Mönch den scheinbar unaufhaltsam rinnenden Schweiß aus den Augen, die von Salz und Wind bereits entzündet waren. Die immer drückender lastende Hitze schien beinahe unerträglich. Als sie in ein von allen Seiten eingeschlossenes Hochgebirgstal einritten, schoss ihm durch den Kopf, dass sich ein Backofen von innen wohl kaum anders anfühlen konnte. Kein Lüftchen regte sich, und über den Berggipfeln wirkte der Himmel seltsam bleiern. »Wisst Ihr«, vorsichtig wandte er sich um, nur um sich zu versichern, dass niemand in Hörweite ritt. »Ich denke, der Kaiser ist ein alter Narr.« Sein koboldhaftes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, und die blauen Augen verdunkelten sich missfällig. Arnfried von Hilgartsberg, dessen Helm in den Nacken gerutscht
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