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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Der wohlbekannte bittere Geschmack stieg in seiner Kehle auf und ließ ihn ausspucken. Immerhin war sein Vater vor der Heirat mit Guillaumes Mutter, die eine beträchtliche Mitgift mit in die Ehe gebracht hatte, ein verarmter Landadeliger gewesen. Er verzog das Gesicht. Wie oft hatte er sich darüber schon mit Harold gestritten, der ihn damit aufzog, dass er ihn als Gutsverwalter einsetzen würde, wenn er einmal Herr von Huntingdon wäre! Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Dazu würde es nicht kommen, dafür würde er sorgen! Vor Vorfreude grinsend schüttelte er die düsteren Gedanken ab, als er über den Hof stürmte und mit fliegenden Schritten die Treppen zu den Gemächern seiner Mutter erklomm.

Serbisches Erzgebirge, Juli 1189

    Ansbert tat der Hintern weh. Der junge Mönch hatte den Eindruck, dass seit ihrem Aufbruch aus Regensburg vor neun Wochen die Haut an seinem Gesäß zu einer wunden Vorstufe von Leder geworden war. Bei jedem Schritt, den sein Wallach tat, rutschte er auf dem glatt polierten Sattel hin und her, da ihn schon lange die zu einem ordentlichen Knieschluss erforderliche Kraft in den Beinen verlassen hatte. Das gewaltige Heer von über 20 000 Mann, das ständig anwuchs, kroch wie ein gepanzerter Drache über die schroffen Berge des serbischen Hochlandes. Erschreckend dicht über den zum Teil noch schneebedeckten Gipfeln des verkarsteten Dinarischen Gebirges flimmerte eine beinahe glutrote Sonne, deren Strahlen lediglich hin und wieder von den Schwingen eines jagenden Adlers verdunkelt wurden. Das farblose, vertrocknete Grün des windgepeitschten Grases ging nur wenige hundert Fuß über den Köpfen der Reiter in einen Gürtel aus Krüppelkiefern über, der sich bald in dem dunkelgrauen Fels verlor. Stolpernd und strauchelnd suchten sich die wenig bergerfahrenen Reittiere der Deutschen ihren Weg durch das tückische Geröll, und mehr als einmal wäre Ansberts Wallach um ein Haar in eine der gähnenden Schluchten gestürzt. Mit einem Seufzen wischte sich der blonde Mönch über die Tonsur und fragte sich zum ungezählten Mal, warum er sich von den Verlockungen des Abenteuers hatte ködern lassen – anstatt in den kühlen Tiefen der erzbischöflichen Bibliothek in seiner Heimatstadt Köln den Freuden des Geschichtsstudiums nachzugehen. Bis auf eine kurze Pause, als die Kreuzfahrer Ende Juni vor Belgrad gelagert hatten, war den zukünftigen Befreiern des Heiligen Landes bisher kaum eine Rast vergönnt gewesen. Dort war es zu blutigen Zwischenfällen gekommen, als zwei junge Adelige den Frieden gebrochen und einige Häuser geplündert und niedergebrannt hatten; eine Tat, die der trotz seines hohen Alters manchmal unnachgiebig strenge Barbarossa augenblicklich geahndet und sie vor den Augen aller hatte enthaupten lassen.
    Ansberts Magen knurrte, und er warf dem neben ihm reitenden Arnfried von Hilgartsberg, mit dem er sich kurz nach ihrem Aufbruch angefreundet hatte, ein schiefes Grinsen zu, das dieser ohne Zögern erwiderte. Der schlanke, dunkelhaarige Ritter, der mit dem Herzog von Schwaben – einem Freund seines Dienstherrn, des Bischofs von Passau – zu den Kreuzfahrern gestoßen war, hatte ihm vor einigen Tagen bei einem Krug Met sein literarisches Vorhaben anvertraut. Und zwar beabsichtigte er, seine Erfahrungen nach diesem Unterfangen in einem gewaltigen Versepos festzuhalten. Die Nibelungen wollte er das Werk nennen. Und Ansbert, der als Chronist den Zug der Krieger begleitete, war fasziniert von den teilweise gefährlich respektlosen Gedanken des anderen. Die hohe Stirn des bayerischen Ritters war sonnengebräunt, und die schlanke Nase zierte eine flammende Röte, die sich bis über die ausgeprägten Wangenknochen zog. In den dunklen Augen lag ein unternehmungslustiges Funkeln, das die Angespanntheit seines muskulösen Körpers widerspiegelte. »Wollt Ihr einen Schluck?« Mit ausholender Geste machte Arnfried von Hilgartsberg einen ziegenledernen, mit klarem Quellwasser gefüllten Schlauch von seinem Sattelknauf los und bot ihn seinem Begleiter an. »Es hilft, den Hunger zu vertreiben.«
    Obwohl nur diejenigen zu dem Feldzug zugelassen worden waren, die über genügend Geldmittel verfügten, um sich zwei Jahre lang versorgen zu können, begannen die Ärmeren unter den Kreuzfahrern bereits zu hungern. Waren die Tage mit ihrer brütenden Hitze schon kaum erträglich, so verwandelten sich die Nächte, in denen sich alle Sinne auf die schmerzhafte Leere konzentrieren konnten, in wahre
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