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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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vierzehnten Geburtstag mit Ungeduld darauf, endlich nach London geschickt zu werden. Doch so oft er seinen Vater auch bearbeitet hatte – der alte Ritter blieb stur. Erst wenn er die Zeit für gekommen hielt, würde er seinen Erstgeborenen als Knappen in die Obhut eines Ritters oder Earls übergeben. Was zur Folge hatte, dass Harold bis auf einige harmlose Spielereien mit der Tochter des Stallaufsehers noch keinerlei sexuelle Erfahrungen zu verzeichnen hatte. »Ich lasse dir den Vortritt«, feixte Robin und riss sich mit einem wehmütigen Blick von der inzwischen splitternackt im weichen Gras liegenden Magd los. »Ruft mich, wenn ihr fertig seid.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und schlenderte auf das entgegengesetzte Ende der kleinen Lichtung zu, die von einem leise murmelnden Bächlein geteilt wurde, über dessen flacher Böschung Hunderte von Stechmücken tanzten.
    Harold schluckte trocken. Obschon ihn die milchweiße Blöße des Mädchens zweifellos erregte, scheute er sich doch, das zu tun, was sein Instinkt ihm einflüsterte. Dröhnend hämmerte sein Herz gegen den sich heftig hebenden Brustkorb, und ein prickelnder Schweißfilm legte sich auf Stirn und Oberlippe des jungen Mannes. Fahrig strich er sich mit der leicht zitternden Hand durch den weizenblonden Schopf, den er auf normannische Art und Weise im Nacken kurz trug, und ließ die blauen Augen über die Brüste des Mädchens hinab zu ihrer Scham gleiten. Dort verharrte er ein halbes Dutzend Atemzüge lang, bevor er sich unter Auferbietung aller Kräfte von dem verlockenden Anblick losriss, den Blick ihrer beinahe violetten Augen suchte, um allerdings wenig später wie magisch angezogen zu den Verlockungen ihres Schrittes zurückzukehren. Überlegen lächelnd folgte sie seinem Blick und begann, die Fingerkuppen an den Innenseiten ihrer Schenkel hinauf wandern zu lassen. Das war zu viel! Er konnte sich nicht länger beherrschen, und ohne einen weiteren Gedanken an die eventuellen Folgen seines Tuns zu verschwenden, streifte er die Cotte ab und kniete sich über sie.

    *******

    Verborgen vom gelblichen Laub eines Haselstrauches kauerte Guillaume am Rand der Lichtung, zu der ihn das Kichern der Magd geführt hatte, und lugte erregt blinzelnd durch die Blätter. Was tat sein Bruder denn da? Wie hypnotisiert folgte er den rhythmischen Bewegungen, während ihm vor Erstaunen der Mund offen stehen blieb. Wie abstoßend und unwürdig!, schoss es ihm durch den Kopf. Nachdem er einige Augenblicke lang fasziniert dem Grunzen und Stöhnen seines Bruders gelauscht hatte, kroch er – sorgsam darauf bedacht, kein verdächtiges Geräusch zu verursachen – behutsam in den Schutz des dichten Waldes zurück. Er hatte genug gesehen! Mit bebenden Gliedern rappelte er sich auf, klopfte Schmutz und trockene Blätter von den bloßen Knien und stolperte von der Lichtung fort. Nach einigen Schritten gehorchten ihm seine Beine wieder und er begann, zügig auf die väterliche Burg zuzulaufen, deren bräunliche Wehrmauer durch das von der sommerlichen Hitze ausgedünnte Laubwerk schimmerte. Er würde seiner Mutter berichten, was er soeben gesehen hatte! Die im Kloster erzogene Normannin – die zweite Frau des königstreuen Ritters – würde bei seinem Vater auf eine strenge Bestrafung des Älteren drängen. Und Guillaume würde wie schon so oft zuvor die innere Befriedigung genießen, die er bei den Schreien des Halbbruders empfand, wenn dieser vom Waffenmeister gezüchtigt wurde.
    Mit grimmiger Genugtuung dachte er an den letzten Vorfall zurück, der Harold eine solche Tracht Prügel eingebracht hatte, dass dieser beinahe eine ganze Woche nicht hatte sitzen können. Jemand hatte zu Beginn des Frühlings Vorräte aus der Speisekammer gestohlen. Und wenngleich Guillaume nicht wusste, ob es tatsächlich die Schuld seines stets hungrigen Bruders war, hatte er seine Mutter davon überzeugen können, ihn bestrafen zu lassen. Bei der Erinnerung an Harolds schmerzverzerrtes Gesicht erfüllte ihn immer noch warme Schadenfreude. Ohne Vorwarnung flammte die alte Wut über die Ungerechtigkeit des Geburtsrechtes in dem Jungen auf. Harolds Mutter, eine Angelsächsin, war bei dessen Geburt im Kindbett gestorben, und erst nach langer Trauer hatte sich sein Vater schließlich eine normannische Frau genommen. Guillaumes Brauen schoben sich unwillig zusammen, als er sich zum wohl tausendsten Mal fragte, warum nicht er der Erbe von Gut und Titel sein sollte. Auch wenn Harold der Ältere war.
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