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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute
Autoren: Sonia Marmen
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deswegen würde der Captain ihr schon kein Leid antun. Aber das war nur Vermutung, keine Gewissheit. Bei dem Gedanken wurde Liam flau im Magen.
    Anna regte sich leise, und Liam zog sie enger an sich.
    »Der junge MacIvor wird bald zurückkehren«, meinte Anna. »Beim Abendessen kam er mir ein bisschen wunderlich vor. Er hat mit dem Hund gesprochen.«
    »Mit dem Hund?«
    »Er hat ihm geraten, heute Nacht in den Hügeln zu schlafen«, erklärte sie mit bedrückter Miene. »Er sagte: ›Wenn ich du wäre, Hund, würde ich mir heute Nacht einen Schlafplatz auf der Heide suchen.‹ Man hätte fast meinen können, er wolle mir etwas mitteilen; aber ich habe nicht gewagt, ihn zu bitten, er möge sich deutlicher ausdrücken. Außerdem haben die Leute von Laroch angeblich am Ufer des Loch Leven einen An Duine Mor gesehen, du weißt schon, diesen Riesen, der Unglück bringt. Das ist ein schlechtes Omen.«
    Liam schaute nachdenklich drein.
    »Als ich heute Abend von meinem Vater zurückkehrte, habe ich gehört, wie Hugh Mackenzie auf seinem Dudelsack die Melodie anstimmte, die bei den Campbells gewöhnlich gespielt wird, wenn Gefahr im Verzug ist. Ich konnte mir das nicht erklären, aber du hast Recht, wir sollten wohl die Augen offen halten...«
    Jemand klopfte an die Eingangstür und kam dann leise in die Hütte. Liam stand auf, wickelte sein Plaid um sich und trat vor den Wandschirm.
    »Guten Abend, Maclvor«, sagte er und lehnte sich mit vor der
Brust verschränkten Armen an die Wand. »Hast du es geschafft, unseren guten alten Archibald zu schlagen?«
    »Nein, Sir«, stotterte der junge Soldat. »Er hat mich dreimal hintereinander schachmatt gesetzt.«
    »Vielleicht hast du ja morgen mehr Erfolg«, fuhr Liam fort und beobachtete den anderen dabei genau.
    Der junge Mann ließ sich auf sein provisorisches Lager sinken, das er in einer Ecke des Hauptraums, in der Nähe des Kamins, aufgeschlagen hatte.
    »Das bezweifle ich.«
    David MacIvor konnte nicht mehr als achtzehn Jahre zählen. Er war ziemlich kräftig, aber seine noch weichen Züge und der spärliche Flaum, der sein Kinn zierte, verrieten sein jugendliches Alter. Als er bei ihnen Quartier nahm, hatte er gleich Freundschaft mit dem kleinen Coll geschlossen und verhielt sich ihm gegenüber wie ein großer Bruder. Er hatte ihm sogar ein prächtiges Holzpferd geschnitzt, das der Kleine über alles liebte.
    Heute Abend jedoch wirkte MacIvor verstört, und sein Blick war düster.
    »In dieser Nacht wird der Wind uns nicht schlafen lassen«, sagte er und sah Liam fest an.
    »Hmmm ... der Wind. Wenn dir kalt ist, kannst du noch einen Brocken Torf ins Feuer legen. Gute Nacht, MacIvor.«
    »Danke, Sir, und gute Nacht.«
    Liam kehrte hinter den Wandschirm zurück, blieb dort einen Moment lang schweigend stehen und wandte das Gesicht den Stellwänden aus Weidengeflecht zu. Er fuhr mit einer Hand durch seinen dichten, rotblonden Lockenschopf und trat dann an das Bettchen, in dem sein Sohn schlief.
    »Ist er auch warm angezogen?«, fragte er im Flüsterton und streichelte die goldenen Löckchen des Kindes.
    »Ja, er trägt sein dickstes Wollhemd und zwei Paar Strümpfe.«
    »Gut. Du solltest dir ebenfalls etwas überziehen, Anna. Heute Nacht wird es kalt. Die Wolken hängen sehr tief, und der Sturm wird wohl noch eine Weile anhalten.«
    Wie um seine Worte zu bestätigen, begann der Wind zu heulen. Anna streifte ihr Winterhemd und ihre Strümpfe wieder über und
schlüpfte dann in die herrlich warmen Laken. Liam folgte ihr, nachdem auch er sein Hemd wieder angezogen hatte.
    Eng umschlungen lagen sie da. Keiner von ihnen sprach, jeder war in seine eigenen beunruhigenden Gedanken versunken. Lange Minuten vergingen, bis der Schlaf die beiden endlich überwältigte.

    Ein Geräusch aus dem Nebenzimmer weckte Liam, es klang, als schleife ein Gegenstand über den Boden. MacIvor veranstaltet heute Morgen aber einen ziemlichen Radau, dachte er, und außerdem ist er sehr früh auf den Beinen. Draußen pfiff der Wind immer noch, und es herrschte noch tiefe Dunkelheit. Er erhob sich vorsichtig, um Anna, die weiter schlief, nicht zu wecken, und spähte um die dünne Trennwand herum.
    Der junge MacIvor, der seine Uniform trug, ging auf und ab und zog dabei einen Stuhl über den Boden. Im Schein des heruntergebrannten Feuers konnte Liam das Gesicht des Soldaten erkennen. Er räusperte sich laut, damit der junge Mann ihn hörte. MacIvor erstarrte und drehte sich um. Eine unendliche Trauer lag auf
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