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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos
Autoren: Ildikó von Kürthy
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wollte mit mir ausgehen, und ich war ihm dafür so dankbar, dass ich sofort meine Unschuld an ihn verschenkte und drei Jahre mit ihm zusammenblieb.
    Ich hätte ihn sogar geheiratet. Aber ehe er mich fragen konnte – oder wollte   –, stellte ich fest, dass es überraschenderweise noch andere Männer gab, die sich für mich interessierten.
    Ich hatte viel nachzuholen, und lange Zeit war ich nicht besonders wählerisch, was meine Männerbekanntschaften betraf. Ich war von tiefer Dankbarkeit gegenüber jedem Mann erfüllt, der freiwillig mit mir ausgehen oder schlafen wollte.
    Das machte mich natürlich zu einer leichten Beute für relativ zweifelhafte Gesellen, von denen ich den ein oder anderen auch begeistert mit nach Hause schleppte oder Tante Rosemarie vorstellte.
    Nachdem ich zum dritten Mal bei ihr mit einem Typen ankam, der weder über äußere noch innere Werte verfügte, bestellte sie mich für ein Wochenende zu sich nach Berlin, kaufte mir mein erstes Paar hoher Schuhe und sagte: «Wenn du noch ein Mal mit jemandem aus Dankbarkeit insBett gehst, verrate ich deiner Mutter, dass ich dich beim Haschischrauchen gesehen habe.»
    Bis heute habe ich ein tiefsitzendes Misstrauen meinem Aussehen und Männern gegenüber, die mir Komplimente machen. Ich drehe mich immer noch um, wenn mir ein gutaussehender Mann eindeutige Blicke zuwirft, um zu gucken, welche entsprechend gutaussehende Frau hinter mir er wohl meinen könnte.
    Mich nerven Leute, die sich auf ihre Schönheit verlassen, mindestens genauso wie solche, die sich äußerlich gehenlassen. Die nichts aus sich machen. Die selbstzufrieden in unsäglichen Trekkingsandalen durch griechische Tempel schlurfen und schöne Landschaften mit dem Anblick ihrer unschönen Funktionskleidung verschandeln. Die sich die Brauen zusammenwachsen lassen, sich die ungewaschenen Haare mit einem Einmachgummi zusammenbinden und dann ihren natürlichen Look preisen und behaupten, ihnen seien eben die inneren Werte wichtig.
    Man kann doch regelmäßig zum Frisör gehen, eiterige Pickel im Gesicht abdecken und ein Deo benutzen, ohne vom Schönheitswahn besessen und abgrundtief oberflächlich zu sein.
    Brad Pitt behauptet, ohne rot zu werden: «Natürlichkeit ist sexy. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn Frauen sich die Brüste vergrößern lassen.» Ach was. Und warum, Bürschchen, bist du dann nicht mit mir zusammen, sondern mit Angelina Jolie, die seit ihrer Geschlechtsreife ihre Füße nicht mehr gesehen hat?
    Wir verurteilen Oberflächlichkeit, lesen die «Bunte» und ärgern uns die Krätze an den Hals, wenn unser Typ einer bildschönen Kellnerin unangemessen viel Trinkgeld gibt,obschon sie nicht mal «Guten Tag» gesagt hat. Eine Bekannte von mir schläft derzeit mit einem tumben Typen, der aber fünf Jahre jünger ist als sie und aussieht wie Matthew McConaughey. Jede Wette: Sähe er aus wie Günter Verheugen, hätte sie die Affäre längst beendet.
    Die Fixierung auf Äußerlichkeiten verurteile ich natürlich zutiefst. Ich plädiere dafür, hinter Fassaden zu blicken – während ich selbst einen Gutteil meines Gehalts in den Erhalt meiner Fassade stecke. Kein Tiegel in meinem Bad, auf dem nicht irgendwas mit «Anti-Aging» oder «Repair» stünde.
    Betrachtet man die Anzahl meiner Schminkutensilien, käme man auch nicht automatisch drauf, dass mir ein gutes Gespräch wichtiger ist als gutes Make-up. Und in der Zeit, die ich in meinem Leben auf Laufbändern und in «Complete Body Workout»-Kursen verbracht habe, hätte ich mich auch habilitieren können.
    So gesehen spart man als natürliche Schönheit eigentlich eine ganze Menge Zeit. Und man könnte, während die Durchschnittsfrau vorm Spiegel steht, um ihre Gesichtskonturen durch den geschickten Einsatz von Rouge und Puder zu optimieren, ein Heilmittel gegen Aids entwickeln oder Weltliteratur verfassen. Aber die Versuchung, nur dumm rumzustehen, ist natürlich groß, wenn man große Brüste und ein Puppengesicht hat.
    Ich hatte als junges Mädchen überhaupt nicht die Wahl, mich auf mein Aussehen zu verlassen. Weil niemand mit mir ausgehen wollte, habe ich vor lauter Langeweile Romane auf Englisch und Französisch gelesen. Und als meine Eltern mich zum Sprachurlaub nach Nizza schickten, war ich die Einzige, die als Jungfrau zurückkam und tatsächlich Französisch gelernt hat.
    Ich habe mich immer lustig gemacht über die hirnlosen Schönen. In Wahrheit hätte ich sofort mit ihnen getauscht. Ich sah so unansehnlich aus, dass
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