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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Hannes Nygaard
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vorbeipromenierenden Menschen nachsah.
    Havenstein folgte mit ausholendem Schritt dem
gepflasterten Weg, der am Strand Richtung Stadthalle und Meerwasserwellenbad
führte. Er nahm nicht wahr, dass die Bäume, die den Weg wie ein Laubengang
überragten, für die Jahreszeit noch erstaunlich grün waren. An einer Stelle
wich er einer Gruppe Senioren aus, die ihm entgegenkam und Havenstein zwang,
fast einen der hüfthohen Lampenpfähle zu streifen, die den Weg bei Dunkelheit
in ein dezentes Licht tauchten. Er bog nach hundert Metern ab, durchquerte
einen begrünten Innenhof, der von Wohnblocks gesäumt wurde, und stieß
gedankenverloren mit einem Mann in blauer Latzhose zusammen, der ihm mit einer
Leiter unterm Arm in einem Torweg entgegenkam.
    »He«, knurrte der Handwerker unwirsch, bevor er seinen
Weg fortsetzte.
    Das unscheinbare Chinarestaurant zur Linken war um
diese Zeit noch geschlossen.
    Havenstein verließ die Wohnanlage und kreuzte eine
Straße namens Jungfernstieg, die nichts mit Hamburgs Prachtstraße gemein hatte.
    Der kopfsteingepflasterte Gang hieß »Pastorengang« und
war Teil der Eckernförder Altstadt. Dieser Abschnitt gehörte allerdings nicht
zu den romantischen Ecken, sondern führte durch eher trist wirkende Altbauten
und Hinterhöfe. Aus den Augenwinkeln warf Havenstein automatisch einen Blick
auf ein Dach, in dem jemand mit viel Mühe ein Mosaik aus Dachpfannen gelegt
hatte, das ein Mädchen darstellte. An der Gudewerdtstraße öffnete sich der Gang
zu einem kleinen Platz, der von windschiefen, aber malerischen Häusern gesäumt
wurde. In einer kleinen Grünanlage stand eine Infotafel, auf der das alte
Eckernförde dargestellt war. Im Hintergrund nahm Havenstein die Leuchtreklame
einer kleinen Kneipe wahr. Im »Leuchtfeuer« hatte er sich gelegentlich mit
alten Freunden auf ein Bier getroffen, wenn er in seiner Heimatstadt war.
    »Hey, Robert«, hörte er eine bekannte Stimme.
    »Moin, Jürgen«, grüßte Havenstein zurück, als ihn der
alte Schulkamerad aus seinen Gedanken riss. Er setzte seinen Weg fort, ohne den
ehemaligen Mitschüler zu beachten. Immer noch kreisten Havensteins Gedanken um
das, womit er sich seit geraumer Zeit beschäftigte. Sein Beruf brachte es mit
sich, in heikle Fragestellungen einzutauchen, das Ende des Fadens zu suchen,
wenn sich mysteriöse Dinge zu einem scheinbar unentwirrbaren Knäuel verstrickt
hatten. Oft war seine Arbeit von Gefahr begleitet, insbesondere die
Auslandseinsätze hatten ihn in Regionen geführt, die nicht als befriedet
galten.
    Doch dieser Fall lag anders. Es war ein heikles Thema,
das eine weltweite Sensation auslösen würde, kämen die Hintergründe an die
Öffentlichkeit. Und Havenstein war dieser Sensation auf der Spur.
    Er schreckte auf, als er den schmalen Gang verließ und
in die Fußgängerzone einbog. Der Pastorengang mündete direkt gegenüber der
alten Stadtkirche St. Nicolai in die lebhafte Kieler Straße, in der es von
Passanten wimmelte. Havenstein ließ sich von der Menge mitziehen. Er schien für
einen Augenblick wie verwandelt und hatte das Thema, mit dem er sich beschäftigte,
vergessen.
    Der Marktplatz wurde durch ehrwürdige Bürgerhäuser
eingerahmt, die man ansehenswert restauriert und hergerichtet hatte. Zur
Fußgängerzone hin begrenzte eine Baumreihe das Areal, unter deren dichtem
Kronendach Markthändler ihre Waren feilboten. Auf der gegenüberliegenden Seite
hatte ein Eiscafé Tische und Stühle auf den Gehweg geräumt. Das Angebot, unter
der Markise sitzend dem Geschehen zuzusehen, wurde gut angenommen.
    Havenstein verharrte kurz und betrachtete die Auslage
eines Blumenhändlers. Im Engpass zwischen Marktstand und Außengastronomie kam
es zu einem Gedrängel, und eine Frau mit Einkaufskorb stieß ihn an. Fast
gleichzeitig entschuldigten sich beide mit einem Lächeln. Versonnen sah er der
Passantin nach.
    Unwillkürlich blieb sein Blick bei einem Mann mit
südländischem Aussehen haften. Der Fremde hatte die Hände in den Taschen seiner
Jacke vergraben und fixierte Havenstein aus dunklen unergründlichen Augen. Der
Mann unternahm gar nicht den Versuch, sein Interesse an Havenstein zu leugnen.
Die Distanz zwischen den beiden mochte fünf Meter betragen.
    Die Augen des Unbekannten zogen Havenstein magisch an.
Über die Entfernung trafen sich ihre Blicke. Robert Havenstein spürte, dass
diese Begegnung kein Zufall war. Er besaß ein Gefühl für Situationen, die von
einer unbestimmten Gefahr kündeten. Diesen menschlichen
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