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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth
Autoren: Amanda Sthers
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braucht uns. Du weißt, wie sehr sie dich liebt. Sie und ich, das ist ein bisschen kompliziert. Sie macht mir im Stillen Vorwürfe, weil ich nicht du bin. Ich sehe es in ihren Augen, wenn ich ihr das Frühstück bringe.
    Komm zurück.
    Annabelle

Annabelle Rosenmerck an Harry Rosenmerck
    Paris, 3. September 2009
    Lieber Papa,
    du hast recht, man sagt sich nichts am Telefon. Man sagt, dass man gut angekommen ist, aber man sagt sich nicht die Wahrheit.
    Die Wahrheit ist, dass Mama allein ist und in einem jämmerlichen Zustand.
    Ich werde mich um sie kümmern.
    David ist gegangen, ohne ein Wort. Wir wissen nicht, wo er ist.
    Anbei ein Foto, das durch meinen Bauch hindurch aufgenommen wurde. Ich hoffe, du entdeckst Familienähnlichkeit: Es ist dein erstes Enkelkind. Ja, du wirst Opa. Das ist die andere Wahrheit, die ich in Israel verschwiegen habe und am Hörer dieses verdammtes Gerätes.
    Mama braucht nur meinen Bauch zu berühren, und schon geht es ihr besser …
    Annabelle

Harry Rosenmerck an Annabelle Rosenmerck
    Tel Aviv, 5. September 2009
    Meine Tochter,
    als du bei mir ankamst, habe ich es an dem Glanz in deinen Augen gesehen.
    Ich kann mir denken, dass ich nicht über den Vater reden soll, aber ich bin der deinige, also mache ich mir Sorgen. Ist es ein Andenken von diesem alten verheirateten Mann, der es nicht verstand, dich zu lieben? Oder hast du dich in Nazareth verliebt, ohne dass ich es mitbekommen habe?
    Ich bin zweifellos alt. Ich denke, es ist Liebe. Ich hoffe es zumindest.
    Ich bin sehr glücklich, aber ich hatte mir vorgestellt, dass du zuerst heiraten würdest …
    Papa

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 6. September 2009
    Betreff: Der Stückeschreiber-Onkel
    Lieber David,
    vielleicht wird dich diese Mail endlich zu einer Antwort bewegen. Du wirst Onkel, David. Seit zwei Monaten verschließe ich die Augen vor dem Offensichtlichen, verstecke meine schweren Brüste unter Sommerkleidern, zähle nicht mehr die Tage und die Brechattacken. Es ist von Avi, dem Mann in Rückenansicht!
    Das nenne ich, einem Kind den Rücken zukehren! Aber meiner ist breit genug. Ja, du siehst das schon richtig, ich will es behalten. Ich lache über jeden Blödsinn. Ich bin völlig durch den Wind. Ich sage mir immer wieder, dass ich angebumst wurde, dass ich einen Braten in der Röhre habe, dass ich zu einem Wal mutieren werde.
    Ich kümmere mich um Mama, aber ich bin sauer auf dich, David, denn ihr Lieblingskind bist du! Dich hat sie immer geliebt. Und nun werde ich ihre Hand halten müssen, während sie immer weniger wird und mein Bauch immer dicker.
    Irgendwie schäme ich mich dafür. Ich rede mir ein, dass sie lange genug leben wird, um noch ihren Enkelsohn zu sehen (ja, es ist ein Junge, ich weiß es tief in mir drin), und das beruhigt mich, damit verwandle ich meine Schuldgefühle in ein Geschenk.
    Ich bin Donnerstag nach Paris zurückgekommen. Ich weiß nicht, wann du hier sein wirst. Manchmal sage ich mir, dass wir uns seit Jahren so selten sehen, dass wir unsere Korrespondenz auch Sekretärinnen anvertrauen könnten, und nurmehr Phantome wären.
    Papa geht es langsam besser. Die Wohnung in Tel Aviv ist ganz schön. Sein Freund, Rabbi Moshe Cattan, besucht ihn oft. Sie lachen miteinander. Mit der Hand auf dem Bauch denke ich an jene Café-Terrasse, wo Avi meine Hand genommen hat.
    Annabelle

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 9. September 2009
    Betreff: Der Stückeschreiber-Onkel
    Annabelle,
    du bekommst ein Kind von einem Mann, den du nicht kennst! Tust du es, um mir einen Sohn zu geben? Oder weil du versuchst, ein für allemal gegen Mama zu gewinnen? Oder um sie zu retten? Oder um das Herz von Papa zum Schlagen zu bringen?
    Ãœberleg es dir gut, Annabelle. Dieses Kind ist nicht nur ein Symbol. Wenn es einmal da ist, wird sich dein Leben verändern.
    Ich antworte dir nicht, weil ich an einem Roman arbeite und weil ich euch drei, von nun an vier, für einige Zeit vergessen muss.
    Schreib mir nicht.
    Ich liebe dich,
    David

Monique Duchêne an Harry Rosenmerck
    Paris, 12. September 2009
    Lieber Harry,
    wenn ich gewusst hätte, dass Bilder von uns beiden mich zum Lächeln bringen würden, obwohl der Tod schon wartet … Ich blättere in unseren alten Fotoalben. Ich war hübsch. Wusste ich nicht.
    Jetzt sehe ich wie ein altes
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