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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Waltraud? Wie die wohl heute aussahen? Würde ihr Name ihnen etwas sagen?
    »Braucht ihr noch lange in Faunried?«, riss Grossreither sie aus ihren Gedanken.
    »Drei oder vier Tage«, antwortete sie zerstreut. Sie schwieg eine Weile und fragte dann: »Warum ist denn dieser Xaver Leybach so komisch? Kennen Sie ihn näher?«
    »Was heißt schon kennen. Ist ein armer Teufel. War schon immer sonderbar, und seit der Vater weg ist, ist es nur schlimmer geworden.«
    »Wie lange ist er denn schon weg?«
    Grossreither überlegte. »Zehn, fünfzehn Jahre. Weiß ich nicht genau. Erst kam er ja noch ab und zu. Hatte ja Geschäft mit dem Heinbichler.«
    »Wer ist das?«
    »Na sein Jagdpächter.«
    »Ah.« Anjas ironischer Tonfall war Grossreither nicht entgangen.
    »Sie sagen es«, bemerkte er trocken. »Haben Sie den Wildverbiss gesehen?«
    »Ja. Ziemlich schlimm.«
    »Schießt nur herum ohne Sinn und Verstand«, schimpfte er. »Manchmal tut er ja auch, was man ihm sagt. Oft kommt er aber monatelang gar nicht her, weil er Großwild jagt. Hat eben viel Geld.«
    »Gehört der auch zu einer der Familien?«
    »Nein. Gar nicht. Der Heinbichler ist ein Spezl vom alten Albrecht Gollas, dem Franz sein Vater. Die kennen sich schon ewig, noch aus der Zeit vorm Krieg. Interessiert Sie wohl, diese Gollas-Familie. Na, warten Sie mal, bis Sie den Lukas sehen.« Er sah sie jetzt augenzwinkernd an. »Der könnte Ihnen gefallen.«
    Anja musste lachen.
    »Sie lachen. Warten Sie’s mal ab. Das ist ein fescher Bursche.«
    »Bestimmt«, erwiderte sie und fragte sich, was Grossreither bloß zu der Annahme gebracht haben konnte, sie interessiere sich für irgendwelche Männer hier. Doch die Erwähnung von Lukas versetzte ihr dennoch einen Stich. Sie versuchte, sich den achtjährigen blonden Bub in Erinnerung zu rufen, mit dem sie zwei Sommerferien lang fast jeden Tag gespielt hatte. Aber das Einzige, woran sie sich jetzt erinnerte, war der Dialekt, den er gesprochen hatte: Er kimmt statt er kommt.
    Um vom Thema abzulenken, fragte sie: »Haben Sie eine Erklärung dafür, warum mitten im Leybachforst eine Wildwiese angelegt wurde? Ganz in der Nähe, Richtung Hinterweiher, ist doch ein großes Feld. Warum legt man da extra für teures Geld eine Wildwiese an?«
    Grossreither griff erneut neben die Handbremse und angelte sich das nächste Bonbon. »Na, wer sich’s leisten kann, in Afrika Großwild zu jagen, der kann wohl auch für ein paar Tausender eine Wildwiese einrichten, wenn ihm danach ist, oder?«
    »Hat der Heinbichler die Wiese angelegt?«
    »Na, die Leybacher und die Gollas sicher nicht, so wie die herumknapsen müssen. Ich vermute, der Heinbichler wollte etwas, wo man Schwarzwild und Füchse ködern kann. Übrigens, da wir schon dabei sind: Wenn Sie ein paar Abschüsse machen könnten, wär’s auch recht. Sie haben ja selbst gesehen, dass der Heinbichler viel zu wenig schießt. Vielleicht gleich heute Abend? Und von dem Xaver sollten Sie sich besser fernhalten. Irgendwann passiert mit dem noch ein Unglück.«
    »Ja, sicher«, sagte sie, fest entschlossen, keiner der beiden Empfehlungen Folge zu leisten

5
    O bermüller wartete auf dem Parkplatz des Forstamts auf sie. Er sah nicht besonders gut gelaunt aus und sprach nach einem dahingemurmelten Morgengruß während der ganzen Fahrt bis Faunried kein weiteres Wort mehr. Anja unternahm keinen Versuch, den Grund für sein mürrisches Schweigen zu ergründen. Sie hatte außerdem ihre eigenen Sorgen. Wie es ihrer Mutter wohl ging? Sie durfte nicht vergessen, um die Mittagszeit herum Sonja anzurufen.
    Daraus wurde nichts, denn in dem Waldstück, in das sie gegen halb eins vorgedrungen waren, gab es keinerlei Funkempfang.
    »Darf ich Sie noch mal was fragen?«, sagte Obermüller plötzlich, während sie Mittagspause machten und ihre Brote aßen.
    »Ja. Sicher.«
    »Wie kommt es, dass Sie diesen Menschen gestern mit Namen kannten?«
    Anja trank einen Schluck Kaffee, bevor sie antwortete: »Ich war als Kind mal hier in den Ferien. Ist ziemlich lange her. Ich war sieben oder acht. Da gab’s hier viele Kinder, mit denen ich gespielt habe.«
    »Kinder?«, fragte Obermüller verdutzt. »Dieser Verrückte gestern war doch mindestens dreimal so alt wie Sie?«
    »Ja. Aber nicht im Kopf. Er war bei uns Kindern schon richtig.«
    »So«, antwortete Obermüller und biss in sein Brötchen.
    »Er hat manchmal auf uns aufgepasst, dass wir nicht in den Bach fielen und so weiter. Er sah auch nicht so erschreckend aus
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