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Schwarzes Blut

Schwarzes Blut

Titel: Schwarzes Blut
Autoren: Christopher Pike
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dafür, um sich an sein Vampirleben zu gewöhnen, und es schmerzt ihn. Ohne mich an seiner Seite, das weiß ich, wird er nichts zu sich nehmen.
In der Nähe höre ich einen Eiswagen.
Mitten in der Nacht. Sonderbar.
Mein Opfer gelangt nun an das Ende einer Häuserreihe und springt mit einem mächtigen Satz hinab. Als er den Boden berührt, gerät er ins Stolpern. Diese Gelegenheit könnte ich nutzen, auf seinem Rücken landen und ihm jeden Knochen im Leib brechen. Doch ich lasse ihn entweichen. Ich weiß jetzt auch, wohin er will: zum Exposition Park, dorthin, wo die Museen von Los Angeles untergebracht sind, die Memorial Sport Arena und das Memorial Coliseum. Es ist das Kolosseum, in dem 1984 die Olympischen Spiele stattgefunden haben, und dorthin will er offenbar. Wie der Roadrunner im Zeichentrickfilm fegt er die leeren Parkplätze entlang. Gut, daß niemand dabei zuschaut, wie ich ihn jage, denn ich bin Coyote, und das hier ist keine SamstagmorgenFernsehsendung. Gleich schnappe ich ihn mir, und wenn ich mit ihm fertig bin, wird wenig von ihm übrigbleiben.
Den hohen Zaun um das Kolosseum herum hat bereits jemand aufgeschnitten, und das gibt mir zu denken. Rasch überdenke ich noch einmal meine Taktik. Ich kann leicht mit fünf oder sechs Vampiren wie dem Kerl, den ich gerade jage, fertig werden, aber nicht mit einem Dutzend und sicherlich nicht mit hundert. Und wie viele von ihnen hier sind, weiß ich nicht. Das Kolosseum könnte für mich das werden, was es einmal im antiken Rom war. Doch ich bin ein Gladiator mit Mumm in den Knochen, und so bin ich zwar vorsichtig, halte aber nicht an.
Kaum bin ich zwei Minuten auf dem Gelände, rieche ich Blut. Gleich danach stoße ich auf die übel zugerichtete Leiche eines Wachmanns. Fliegen summen über seiner aufgeschlitzten Kehle; er muß schon ein paar Stunden tot sein. Meine Beute habe ich aus den Augen verloren, bin ihr aber mit meinem Gehör weiter auf der Spur. Ich befinde mich auf der unteren Ebene, im Schatten der Tribünen. Mein Opfer ist im eigentlichen Kolosseum und rennt die überdachten Zuschauertribünen entlang. Mein Gehör fährt weiter aus, so wie die unsichtbaren Wellen einer Radarstation. Ich verharre regungslos. Hier im Kolosseum sind noch drei andere Seelen, und keine von ihnen ist menschlich. Ich kann ihre Schritte orten. Sie stoßen am Nordende des Gebäudes zusammen, ich höre gedämpfte Stimmen, dann schwärmen sie seitlich aus. Ich glaube zwar nicht, daß sie wissen, wo genau ich mich aufhalte, aber ihr Vorhaben ist klar: Sie wollen mich umzingeln, wollen aus allen Richtungen auf mich los. Da möchte ich sie nicht enttäuschen.
Ich trete aus meinem Schlupfwinkel hervor und gehe einen Betontunnel hinab zum Sportplatz. Der Mond schimmert auf dem Gras wie radioaktive Strahlung auf einem Atomtestgelände. Ich sehe die vier Vampire im selben Moment, in dem sie mich sehen. Ich laufe in den Mittelkreis, und sie verharren einen Augenblick. Laß sie doch kommen, denke ich mir. Ich will sie mir anschauen und sehen, ob sie Waffen tragen. Eine Kugel in den Kopf, ein Messer ins Herz könnte mich töten, obwohl der Holzpflock in meiner Brust vor sechs Wochen das nicht geschafft hat. Sobald ich nur daran denke, erwächst der Schmerz wieder, aber ich fege ihn beiseite. Erst mal muß ich mich um diese vier hier kümmern.
Der Mond steht fast senkrecht über uns. Drei der Vampire gehen weiter auf die Ecken zu; der am Nordende bleibt stehen und rührt sich nicht. Er beobachtet mich. Er ist der einzige Kaukasier: groß, hager, mit knochigen Händen wie ein Skelett. Selbst in diesem silbrigen Licht und sogar auf diese Entfernung hin fallen mir seine giftgrünen Augen auf, die blutunterlaufenen Äderchen, die seine leuchtenden Pupillen umgeben wie die Fäden eines rot eingefärbten Spinnennetzes. Er ist der Anführer, und das großspurige Lächeln auf seinem pockennarbigen Gesicht verrät seine Zuversicht. Er ist um die dreißig, und älter wird er wohl auch nicht werden, vermute ich. Ihn will ich mir vorknöpfen, und von seinem Blut will ich trinken. Ich denke an den Wachmann und an das Mädchen in der Morgenzeitung. Ich werde ihn langsam umbringen und meinen Spaß daran haben.
Keiner von ihnen scheint Waffen zu tragen. Ich meinerseits jedoch schaue mich nach einer um. Zu schade, daß ich mein Messer zurückgelassen habe; ich kann es ein paar hundert Meter weit tödlich genau werfen. Obwohl es, wie gesagt, Mitte Dezember ist, liegt am Rande des Sportplatzes
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