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Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Autoren: Max Wilde , Roger Smith
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gehen konnte und ihren Rücken mit der Hand stützen musste. Wenn sie sich in einen Stuhl setzte, streckte sie die Füße wie eine Ente von sich.
    Sie lachte gekünstelt. »Deine Mama ist guter Hoffnung, Junior. Guter Hoffnung.«
    Auch ihre Stimmung war nicht mehr dieselbe. Alle Fröhlichkeit war verschwunden, und immer öfter wurde sie von ihren Anfällen heimgesucht, wie sie es nannte. Dann schlief sie oder übergab sich den ganzen Tag, und Junior musste Eis holen, um ihr mit einem feuchten Lappen die Stirn zu kühlen.
    Sie hob ihren Pullover. Aus dem aufgeblähten Bauch darunter ragte der Nabel wie ein ausgestreckter Finger hervor. Ihre marmorierte Haut war mit einem Wirrwarr aus hauchdünnen dunklen Linien überzogen, die an Brandflecken erinnerten. Junior musste ihr den Bauch waschen, und nur unter Aufbietung all seiner Kräfte konnte er einen Schrei unterdrücken, als er spürte, wie etwas unter der Haut wütend strampelte und zappelte.
    Eines Nachts fuhren sie zu einer Farm in einem weit entfernten Tal. Eine alte, offenbar stumme Frau verbrachte Stunden damit, sich um seine schreiende, vor Schmerzen windende Mama zu kümmern. Endlich presste sie einen Haufen Blut und Fleisch heraus, der durch einen Schlauch mit dem klaffenden Loch zwischen ihren Beinen verbunden war.
    Die Frau vernähte Mamas Wunde und wusch sie. Dann fuhren sie mit einem Baby davon, das wie jedes andere Baby aussah. Es weinte nie, verlangte nie nach ihrer Aufmerksamkeit, und doch schien sich alles nur um das kleine Bündel zu drehen, das von seiner Korbwiege auf der Rückbank aus jeden einzelnen Moment ihres Lebens bestimmte. Mama wurde vor Juniors Augen zunehmend verwirrter und ungepflegter. Sie wusch sich nicht mehr und verbrachte ihre Tage damit, billigen Wein zu trinken. Bald stank sie sogar.
    Bis endlich der Tag kam, an dem Mama gleich hinter einem Grenzdorf anhielt, das Baby in einen Pappkarton legte und Junior befahl, die Schachtel am Straßenrand abzustellen. Ein Sandsturm zog in der Wüste auf. Sie fuhren in die braune Wand hinein, und Junior sah, wie die Schachtel und alles, was damit zu tun hatte, in den wirbelnden Staubwolken verschwanden.
    Das Baby wurde nie wieder erwähnt, und er hatte seine Mama zurück. Zumindest bis zu ihrem Unfall.
    Jahre später – Junior hatte sich bereits Tincups Gemeinde angeschlossen – erkannte er plötzlich die Straße wieder, neben der er die Schachtel abgestellt hatte. Als er später in der Stadt beim Einkaufen war, bemerkte er ein blondes Mädchen, das gerade den Walmart verließ. Junior spürte die Anwesenheit seiner Mutter mit solcher Intensität, dass er ihren Duft – eine Mischung aus Zimt, Chanel N ° 5 und Burleytabak – riechen und ihr Lachen – ein Klimpern wie von einem Windspiel – hören konnte.
    Junior verfolgte das Mädchen, ein vielleicht zehn- oder elfjähriges Kind mit hängenden Schultern, das mit Einkaufstüten bepackt auf den Ausgang zusteuerte. Als sie sich umdrehte, erkannte er die Züge seiner Mutter in ihrem Gesicht. Die genetische Verwandtschaft war so deutlich, dass ihm Sehnsucht und Trauer den Atem raubten.
    »Skye! Skye!«
    Der Uniformierte musste ein weiteres Mal rufen, um das Mädchen aus seinen Tagträumen zu reißen. Junior beobachtete, wie sie mit ihm und einer hochschwangeren Frau, die einen kleinen Jungen an der Hand hielt, in einen Kombi stieg und davonfuhr.
    Skye.
    Jetzt stand er in der Wüste und schnupperte die Nachtluft wie ein wildes Tier. Das bevorstehende Wiedersehen machte ihn ganz nervös.
    Das Wiedersehen mit seiner Schwester.

53
    Timmy lag gefesselt im Dunklen. Die böse Frau hatte die Schnüre so fest zugezogen, dass sie in sein Fleisch schnitten. Seine Hände und Füße waren völlig taub.
    »Wie ein Rollbraten«, sagte er laut. Die Worte hallten dröhnend von den Metallwänden wider.
    Seine eigene Stimme, mit der er eigentlich nur die Stille der tiefen Schwärze vertreiben wollte, machte ihm eine solche Angst, dass er sich fast in die Hose gemacht hätte.
    Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Die Wände waren trocken, und trotzdem roch es überall nach Benzin, wie dort, wo Daddy immer hinfuhr, um den Jeep aufzutanken. Daher vermutete er, dass er in einer alten Tankstelle mitten im Nirgendwo war. Keiner würde ihn finden, und er musste mutterseelenallein hier sterben.
    Blanke Angst ergriff sein Herz, Panik packte seinen Körper. Er kämpfte gegen die Seile an, die gegen seine wunde Haut scheuerten, bis er irgendwann schluchzend aufgab.
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