Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin
Autoren: Marie Hagemann
Vom Netzwerk:
zog eine Sprühdose aus der Tasche.
    Da kamen zwei Softies über den Platz. Strichen sich durch die Haare. Toll, toller, am tollsten. So kamen die sich wohl vor.
    »Kommt, die nehmen wir uns vor!« Dolf stürmte vor. Er befahl ihnen stehenzubleiben.
    »Wir denken gar nicht daran«, sagte der eine.
    »Dann wollen wir dir mal zeigen, woran du gleich denkst«, lachte Dolf. »Grüß uns mit ›Heil Hitler!‹, aber in strammer Haltung.«
    Der eine hatte Schiß, das sah man. Der grüßte sofort.
    Jetzt war Dolf in Fahrt. »Noch schöner«, befahl er. »Lauter, und den Arm richtig ausstrecken!« Er machte es dem einen vor und langte dem andern so nebenbei eine. Der hielt sich die Backe.
    Die beiden hatten natürlich unsere Baseballschläger gesehen. Sie gehorchten. Ich glaub, das hätt ich auch gemacht, denn zwei gegen neun, da kannst du absolut nichts machen.
    »Schön gemacht«, lobte Dolf. »Und jetzt noch einmal laut: ›Juda verrecke!‹«
    Die beiden gehorchten wieder, wenn man auch den Gesichtern ansah, was sie dachten.
    »Die haben uns doch nichts getan«, sagte Andy.
    »Sei still«, zischte ich, »macht doch einfach Jux.«
    Dann haben wir sie laufenlassen.
    Irgendeiner hat wieder das Lied angestimmt, und weiter ging’s.
    »Halt!« schrie Andy auf einmal. »Hier könnten wir ein kleines Andenken aufsprühen.«
    Wir standen vor einer Buchhandlung, die ziemlich linkes Zeug in ihrem Fenster hatte. Andy schüttelte die Dose und sprühte ein schönes großes Hakenkreuz drauf. Er wollte dann noch mehr aufsprühen, aber die andern wollten weiter.
    Ich wußte nicht, was mit dem Andy los war. Mal sagte er: »Warum macht ihr das?« und »Die haben uns doch nichts getan«, ein anderes Mal sprühte er Hakenkreuze. Wahrscheinlich stand er schon hinter der Nazi-Idee, hatte aber doch diesen Gedanken im Kopf: »Mensch ist Mensch.« Hatte es ja selbst zu mir gesagt.
    Einer summte, aber Dolf meinte, wir sollten jetzt stumm weitergehen und uns die Strophen einfach noch mal durch den Schädel ziehen. Damit die Wut gleich so richtig dick da wäre. »Dann macht das Jux!« schrie er.
    Ich murmelte leise vor mich hin:
     
    Triffst du mal ‘nen Türken mit einer deutschen Frau,
    dann ist das Rassenschande, und das weißt du ganz genau.
    Drum wartest du auf ihn an irgendeiner Ecke,
    schneid ihm seinen Schwanz ab, auf daß er dran verrecke.
     
    Andy ging neben mir. Er schaute mich an. Und wenn der Whisky nicht gerade wieder rumgegangen wäre, hätte er bestimmt wieder eine seiner Fragen gestellt. Der fragte noch zuviel, der Kleine. Der dachte noch zuviel nach. Der sollte saufen, bis ihm der Verstand herausfloß. Das sagte ich ihm.
    »Nicht so leicht«, sagte er. Dann zwinkerte er mir zu. »Aber ist schon toft mit euch, ein toftes Gefühl, dazuzugehören.«
    Wir waren am Türkentreff. Drinnen war Licht. Wir stürmten einfach vorne rein und hauten mit unsern Baseballschlägern um uns. Einige schrien, sprangen fort. Das machte Jux. Andy sprühte Hakenkreuze. Einfach überallhin. So rannten wir bis zur Toilette hinten. Da hatte sich einer eingeschlossen.
    »Aufmachen!« brüllte Dolf. »Aufmachen, oder wir machen dir Beine!« Er trat gegen die Tür. Und Dolf hat Kraft. Dem kommt es auf einen Schlag nicht an.
    Da kam einer heraus. Groß. Bärenstark.
    »Arme hoch!« sagte Dolf. »Mach ‘nen Adler!«
    Wir stellten uns im Halbkreis dahinter. Plötzlich schrie einer: »Bullen!«
    Im Nu waren wir alle weg, durch die Hintertür.
    Als die Bullen im Lokal waren, waren wir schon wieder draußen und durch den Hinterhof über die nächste Mauer in einer kleinen Nebenstraße.
    Das hatte Jux gemacht.
    Wir nahmen einen kleinen Schleichweg, den die Bullen nicht fahren konnten, und dann ging jeder in seine Richtung nach Hause.
    Erst jetzt hab ich gemerkt, daß ich ganz schön getankt hatte. Ich taumelte. Aber ich vertrag was. Ging einfach weiter und kam nach einer halben Stunde Fußmarsch zu Hause an. Ich paßte natürlich auf unterwegs. Auf Türken und so. War ja gefährlich, so allein durch die Stadt zu gehen.

7
     
     
     
    Von draußen hörte ich schon meinen Vater in der Wohnung brüllen. Der Alte hatte wahrscheinlich wieder gesoffen.
    Aber diesmal hatte ich nicht so eine Angst wie früher, wenn er nachts nach Hause kam. Und das war fast jede Nacht. Jahrelang. Als ich neun war, als ich zehn war, als ich elf war, als ich zwölf war. Als ich dreizehn war, bin ich dann zum ersten Mal abgehauen.
    Mein kleiner Bruder Günther kam oft abends zu mir ins Bett
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher