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Schwarzbuch ÖBB

Titel: Schwarzbuch ÖBB
Autoren: Weiss Hans
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Lokführer, als Techniker, als Fahrdienstleiter und im Management. Anfang der 1990er Jahre hat er bei den ÖBB begonnen und dort eine mehrjährige Ausbildung absolviert, als Lokführer und Techniker. Jede Woche musste er Frau und Kinder in Südösterreich verlassen und nach Wien reisen. Wie beim Militär sei es gewesen, sagt er, mit Ausgangssperre ab 22 Uhr und strengen Regeln. Nur am Wochenende konnte er zu seiner Familie nach Hause fahren.
    Die Ausbildung selbst sei sehr gut gewesen, aber das Drumherum habe ihn sehr gestört. Vor allem »diese generelle Einstellung zur Arbeit und zum Betrieb«. Wenn man versucht habe, etwas zu verbessern, habe es immer geheißen: »Das geht nicht!« und: »Das ist halt so!«
Extrem starr
    Er ist oft dagegen angerannt, aber immer stand ihm dieser Satz im Weg. Die ÖBB seien ein extrem starres System, sagt Walter Kaiser. Er scheiterte zum Beispiel daran, die Bestellung von Schreibmaterial zu vereinfachen. Wenn er einen Kugelschreiber oder Bleistifte benötigte, musste er die Unterschrift von drei oder vier verschiedenen Personen einholen. Das nervte ihn so, dass er sich solche Dinge schließlich auf eigene Kosten besorgte.
Tachinierer
    Ohne Zustimmung der Betriebsräte ging nichts. Die hatten die wirkliche Macht, erzählt Kaiser. Selbst die schlimmsten Tachinierer wurden von den Betriebsräten geschützt. Es war gang und gäbe, dass ÖBB -Mitarbeiter mit vierzig oder fünfzig regelmäßig drei Wochen auf Kur gingen und anschließend noch eine Woche krankfeierten. Das war die Vorbereitung für die übliche Frühpension. In der Privatwirtschaft, sagt er, würde man solche Leute kündigen – außer jemand ist wirklich krank. Aber das waren nur die wenigsten. Alle wussten das. Das war die allgemein anerkannte Einstellung zur Arbeit.
Krank spielen
    Gebhard Pocher*, der sein ganzes Arbeitsleben bei den ÖBB verbracht hat und seit kurzem pensioniert ist, kann das bestätigen. Auch er war in verantwortlichen Positionen bei den ÖBB , und auch er ist bei den Versuchen, etwas zu verbessern, gegen eine Wand gerannt. Pocher erzählt von einem Mitarbeiter, der regelmäßig alle vier Wochen krank spielte. Die Ärzte hatten ihn bereits mehrfach von links nach rechts und von oben nach unten untersucht und festgestellt: Der hat nichts.
    Pocher: »Ich habe versucht, mit ihm zu reden und ihn zu einer anderen Einstellung zu bewegen, aber da war nichts zu machen. Er ist sofort nach dem Gespräch zum Betriebsrat gegangen. Zwei Minuten später hat der bei mir angerufen und sich beschwert, dass ich versucht habe, mit ihm zu reden.«
Viele Betriebsräte
    Bei den ÖBB gab es eine große Zahl freigestellter Betriebsräte. Diese waren bei voller Bezahlung nur für die gewerkschaftliche Vertretung zuständig. Sie mussten im Betrieb nichts arbeiten. Laut Gesetz sollte es nur eine begrenzte Anzahl solcher Betriebsräte geben, aber bei den ÖBB herrschten halt eigene Gesetze. Im Zuständigkeitsbereich von Pocher gab es offiziell nur zwei freigestellte Betriebsräte. In Wirklichkeit waren es aber vierzehn oder fünfzehn – pro tausend Mitarbeiter. Dass so ein Betrieb wie die ÖBB in erster Linie dazu da ist, die Kunden zufriedenzustellen und erst dann die SPÖ , die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft, hat niemanden interessiert.
    Pocher störte das: »Wenn ich als Verantwortlicher so etwas durchgehen lasse – das Krankfeiern, das Nichtstun, das Tachinieren –, dann mache ich mich mitschuldig. Letztlich ist es ja auch eine Kostenfrage, denn irgendwer muss das alles bezahlen. In diesem Fall der Steuerzahler.«
    Laut Auskunft der Gewerkschaft gibt es derzeit – im Frühjahr 2013 – bei den ÖBB rund hundert freigestellte Betriebsräte. Das entspreche, so heißt es, den gesetzlichen Bestimmungen.
Ein bisschen Mafia
    Pocher konnte daran aber nichts ändern, sagt er, weil die Gewerkschaft so mächtig war. Und dann verwendet er einen harten Vergleich: Die Situation habe ihn immer ein bisschen an die Mafia erinnert. Bis zur obersten Hierarchie hinauf habe es eine Verbrüderung zwischen Gewerkschaft und Management gegeben. Da sei man immer zusammengesessen und habe so getan, als vertrete man dieselben Interessen. Letztlich sei es immer die Gewerkschaft gewesen, die dem Management vorgeschrieben hat, was passiert; wer Karriere macht oder Karriere machen darf. Die Unternehmensführung habe da nicht viel zu sagen gehabt.
    Pocher heute: »Einiges hat sich da sicher gebessert, aber nach meinem Eindruck steckt dieser alte
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