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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Autoren: C. Bertelsmann
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im Umgang mit parlamentarischen Legitimationspflichten.
    Während mir jahrzehntealte Katastrophen wie die Auftragsvergabe beim Starfighter und gerade aktuelle wie die Rechtfertigungsdiskussion beim Kosovo-Einsatz als Belege dafür durch den Kopf gingen, stellten sich drei weitere Herren vor, die auf meine Nachfrage ausnahmslos von sich behaupteten, entweder als Vollblutpolitiker mit der militärischen Erfahrung eines Reserveoffiziers dienen zu können oder als Offizier im aktiven Dienst, der die Politik unterstützen wolle, militärisches Fachwissen einbringen zu können. Eine vielversprechende Mischung für das anberaumte Gespräch.
    »Wir freuen uns, dass Sie kommen konnten, Herr Wohlgethan«, begrüßte mich der Sprecher der Arbeitsgruppe und eröffnete nun offiziell die Sitzung. »Wir haben viel von Ihrem Buch gehört, der eine oder andere hier Anwesende hat es meines Wissens auch gelesen, und Sie gelten nicht nur deswegen als jemand, der über exzellente Kontakte zur Truppe verfügt. Es würde uns freuen, wenn Sie uns Informationen zukommen lassen könnten, die wir eventuell noch nicht haben. Zunächst aber gestatten Sie mir bitte eine Frage: Warum treten eigentlich die Angehörigen der Bundeswehr an Sie heran und nicht an uns?«
    Ich beantwortete ihm diese Frage so eindeutig, wie es ging, dann begann der eigentliche Informationsaustausch. Ich hielt meinen vorbereiteten Kurzvortrag, der grosso modo nach dem von mir vor Wochen ausgearbeiteten Problemkatalog gegliedert war, sich also einerseits auf die Forderungen nach besserer Ausrüstung und nach besserer Betreuung der Angehörigen zu Hause erstreckte und andererseits Aufklärung über ungeklärte Vorkommnisse bis hin zu Todesfällen im Dienst einforderte. Weiterhin brachte ich das Unverständnis der Soldaten zum Ausdruck, dass weder die politische noch die militärische Führung der Bundeswehr genügend dafür Sorge tragen würden, die gefährliche Arbeit und die Verdienste unserer Armee in der Öffentlichkeit darzustellen und sich bei den Bürgern um Verständnis, besser noch, um Anerkennung zu bemühen.
    Was war denn nun die Antwort auf die anfängliche Frage des Sprechers der Arbeitsgruppe?, wird sich inzwischen mancher Leser fragen. Sie soll nicht unter den Tisch gekehrt oder einfach vergessen werden. An dieser Stelle möchte ich die Antwort jedoch noch für mich behalten.
    Im weiteren Verlauf des Treffens begann ich, meinen Gesprächspartnern jene konkreten Fragen zu stellen, die die Soldaten in ihren Briefen und E-Mails an mich gerichtet hatten, zum Beispiel die folgende: »Warum setzen Sie sich als Verantwortliche nicht dafür ein, dass die Soldaten in Afghanistan mehr schweres Gerät erhalten, im Besonderen Panzerhaubitzen 2000, Kampfhubschrauber, Transporthubschrauber, Kampfpanzer, vor allem aber sichere Transportfahrzeuge in größerer Stückzahl?«
    Ich erklärte, dass ich um die Verfügbarkeit dieser Waffensysteme wüsste, entweder aus bundeswehreigenen Beständen oder aus denen alliierter Truppen, gemietet, geleast oder gekauft, und dass dieses Material nach Meinung der meisten Experten auch innerhalb kürzester Zeit zum Einsatzort gebracht werden könnte.
    Die Antwort, die ich in diesem Gespräch erhielt, ließ mich tief durchatmen: Die Erfüllung dieser Wünsche würde die politische Führung der Bundeswehr in eine missliche Lage bringen, denn man könne wohl kaum weiter von einem »Stabilisierungseinsatz« sprechen, wenn man so schweres Kriegsgerät auf den Weg bringe. Dann müsse man – auch bei öffentlichen Auftritten – schon den Begriff »Krieg« verwenden für das, was zwischen der Bundeswehr und den aufständischen Taliban in Afghanistan im Gange sei. Gerade so kurz vor einer Bundestagswahl wolle und könne man es sich jedoch keinesfalls leisten, das Thema Krieg in die Öffentlichkeit zu tragen, es sei doch bekannt, wie es um die Zustimmung der Bevölkerung selbst für einen Stabilisierungseinsatz stünde.
    Ich verlor in diesem Augenblick jede Hoffnung, die ich in das Treffen gesetzt hatte. Da sah ich auf der einen Seite sach- und fachkundige Militärs, denen von politisch Verantwortlichen die dringend benötigte Ausrüstung verweigert wurde, mit der ein solcher Einsatz überhaupt erst verantwortungsvoll zu führen war – und auf der anderen Seite erlebte ich Politiker in der misslichen Lage, von ihren Bürgern mit hoher Wahrscheinlichkeit abgewählt zu werden, wenn sie ihnen die Wahrheit nicht länger verschwiegen. Dazwischen
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