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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Autoren: C. Bertelsmann
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Praxis: Im Jahr 2004 tauchten im afghanischen Kundus unerwartet bei einem Fernsehteam, das seinen gerade abgedrehten Bericht nach Deutschland übermitteln wollte, zwei Presseoffiziere auf, die den Journalisten sehr deutlich klarmachten, was sie zeigen durften und was nicht. Es war der Bericht über eine zuvor dokumentierte Militäraktion, die nichts weiter zeigte als die mit Gewalt verbundene militärische Vorgehensweise einer Bundeswehreinheit im Einsatz – in Deutschland wurde daraus ein Film über die Einweihung eines Brunnens in einem afghanischen Dorf. Andere Bilder würden zu sehr nach kriegerischem Konflikt aussehen, man könne das den deutschen Zuschauern nicht zumuten, wurde damals den Journalisten und den Soldaten gegenüber argumentiert.
    Gezeigt werden immer nur die schönen Bilder: Wie Soldaten der dankbaren Bevölkerung helfen, lachende Kinder in ihrem von der Truppe gebauten neuen Kinderhort, zufriedene Soldaten, die vorher gezielt für Interviews ausgewählt wurden und dafür einen Text auswendig lernen mussten.
    Täuschen, Tricksen, Schönfärben – ausgehend von höchster Stelle, die die Vorgaben und »Formulierungshilfen« festlegt. Laut Grundgesetz gibt es in Deutschland keine Zensur. Es herrscht Pressefreiheit. Was aber ist das für eine Pressefreiheit, wenn nur das berichtet werden soll, was genehm ist? Der Verzicht auf Zensur kann und darf sich nicht nur auf die weniger heiklen Dinge beschränken. Ob in einem Staat eine freie Presse existiert, zeigt sich immer dann, wenn die Berichte für die Mächtigen unangenehm werden. Nicht nur die Soldatinnen und Soldaten verteidigen die Freiheit, auch Journalistinnen und Journalisten tun das. Es ist die Pflicht aller Institutionen, sie dabei zu unterstützen, auch die der Bundeswehr.
    Denn nur eine freie Presse hat die Möglichkeit, ein realistisches und glaubwürdiges Bild der Bundeswehr und ihrer Aufträge zu zeichnen, das dann wiederum echte Wertschätzung der Soldaten in der Öffentlichkeit begründen kann.
    1.3 Verantwortungslosigkeit und Haltungsmängel bei den politisch Verantwortlichen
    Die tieferen Ursachen für das unglaubwürdige und verfälschte Bild der Bundeswehr in der deutschen Öffentlichkeit müssen auf einer anderen Ebene als der Öffentlichkeitsarbeit oder einem lediglich von den Medien erzeugten schlechten Image gesucht werden. Beide sind bereits Ergebnisse einer Politik, die – wie geschildert – durch Beeinflussung und Steuerung für die Berichterstattung und damit à la longue für das Entstehen dieses Images verantwortlich zeichnet.
    Eine Vielzahl von Schreiben, die Bundeswehrangehörige – nicht nur im Einsatz – an mich gerichtet haben, beklagen bei Bundestagsabgeordneten einen Mangel an »Haltung«, an konsequenter Geradlinigkeit der Bundeswehr gegenüber. Sie machen den Parlamentariern den harten Vorwurf, die Soldaten erst in die schwierigen Einsätze geschickt zu haben, dann aber nicht mehr die Verantwortung für die daraus resultierenden Folgen zu übernehmen. Begründet und belegt wird dieser Vorwurf mit zahlreichen Beispielen. Hier sollen nur die am häufigsten genannten zur Sprache kommen.
    Anlässlich der Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Jahr 2010 durch den Deutschen Bundestag wurde dieser beklagte Mangel an Haltung im Umgang mit der Bundeswehr deutlich sichtbar. Als feststand, dass mit den Stimmen aller anderen Parteien die Mehrheit des Bundestages für eine Verlängerung votieren würde, standen die Abgeordneten der Linkspartei – die dem Einsatz nie zugestimmt hatten und also auch an diesem Tag ihre Unterstützung verweigern wollten – geschlossen auf und hielten vorbereitete Plakate hoch, auf denen Bilder und Namen der Personen zu sehen waren, die bei dem Tanklasterbombardement durch die Bundeswehr am 4. September 2009 zu Tode gekommen waren. Nun kann man zur Verteidigung dieser Abgeordneten anführen, dass weder Leben von afghanischen Bürgern noch von deutschen Soldaten zu beklagen gewesen wären, hätten sich die Überzeugungen dieser Partei durchgesetzt. Denn dann wäre die Bundeswehr gar nicht in einen Einsatz nach Afghanistan geschickt worden – aber die einseitige Präsentation der Opfer auf afghanischer Seite sorgte bei Medien und Zuschauern für Unverständnis. Bei den Soldaten löste die Aktion Entsetzen aus, denn wer erinnerte in dieser Sitzung an die gefallenen Kameraden? Noch dazu mit Foto und Namen? Und auch noch im Bundestag, der den Soldaten schließlich den Einsatz befohlen
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