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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt
Autoren: Maya Trump
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hingekniet, seine Stirn auf den Boden gelegt und verharrte in dieser Stellung für längere Zeit. Er musste glücklich sein, ging es mir durch den Sinn. Sein Wunsch nach einem eigenen Kind, das ich nicht hatte bekommen können, ging nun in Erfüllung. Er würde ein guter Vater sein. Er liebte Kinder über alles. Doch allein der Gedanke, dass ich das nicht mehr erleben würde, zog mein Herz zu einem Knoten zusammen. Ich musste diese Tatsache jetzt hinnehmen und ihm dafür dankbar sein, dass er trotz der Schwangerschaft dieser Frau zu mir gekommen war.
    Obwohl ich inzwischen durch die Röntgenbilder wusste, wie es in meinem Inneren aussah, hegte ich noch immer eine geringe Hoffnung, dass die Ärzte bei ihren Untersuchungen feststellen würden, dass es doch noch eine kleine Chance gab. Eine Chance noch ein paar Monate oder vielleicht sogar Jahre zu leben.
    In meinem Kopf lief immer wieder der gleiche Film ab: Die Beerdigung meines Halbbruders Ivan. Das verständnislose Kopfschütteln meiner Mutter, die Betroffenheit von Frau Koch und meine Erleichterung, die ich hinter einer dunklen Sonnenbrille zu verbergen suchte. Diese Beisetzung war ein Beispiel für Verlogenheiten, wie sie wohl im richtigen Leben normal waren. Meine Mutter hatte Ivan gehasst, weil er in Erbstreitigkeiten mit ihr war. Frau Koch hatte ihn auch nie leiden können und ich war froh, ihn wieder aus meinem Leben verschwinden zu sehen. Nur Marek, ja Marek hatte echte Trauer gezeigt. Er war so lange mit Iwan befreundet gewesen, dass auch die ständigen Reibereien zwischen den beiden keinen Einfluss auf ihn hatten. Er hatte echte Tränen vergossen.
    Nun würde er zu mir kommen und mir beistehen. Vielleicht wäre Marek auch an meinem Grab der Einzige, der echte Tränen vergießen würde. Der Traum, vielleicht mit ihm diese Klinik wieder zu verlassen mit dem Ausblick auf eine kurze gemeinsame Zeit, half mir, meine Depression etwas in den Griff zu bekommen.
    Salman hatte mehr als genug für mich getan. Er hatte die Frau, die er inzwischen sicher mehr liebte als mich, im Stich gelassen, nur um mir beizustehen, mir den Abschied von dieser Welt zu erleichtern. Doch genau das Gegenteil war eingetreten. Ich konnte diese Gabe nicht wirklich annehmen. Ich trauerte noch mehr um die vergebenen Chancen, die ich so sorglos weggeworfen hatte. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass ich vielleicht nicht so alt wie meine Eltern werden würde. Einen plötzlichen Tod hatte ich für mich immer ausgeschlossen. Ich fühlte mich betrogen, um das Leben, um die Liebe und um das Vertrauen, das ich immer in alle gesetzt hatte.
    Jetzt, wo ich sie gebraucht hätte, war ich allein mit meinen Gefühlen, die wertlos waren. Nicht einmal mit meiner besten Freundin konnte ich noch telefonieren. Ina war schon lange tot. Lange Zeit hatte ich nicht mehr an sie gedacht. Sie hatte so viele gemeinsame Erinnerungen mit ins Grab genommen. Es gab niemanden, mit dem ich sonst darüber hätte sprechen können. Leere füllte mich aus. Und die Schmerzen kamen wieder. Sie trafen mich wie ein Hammer. Nicht nur der Tumor in meiner Wirbelsäule brannte, sondern auch mein Oberbauch war dick angeschwollen. Meine Haut war dort so empfindlich, dass ich die leichte Baumwollbluse kaum ertragen konnte.
    Ich versuchte, den schrecklichen Bann zwischen mir und Salman zu brechen, indem ich ihn bat, mir beim Ausziehen zu helfen. Ich musste mich jetzt in das Krankenbett legen. Dann riefen wir eine Schwester, und ich bat sie um eine Infusion. Als die Schläuche angeschlossen waren, setzte sich Salman zu mir ans Bett.
    Seine Stimme war leise und kaum zu verstehen: „Ich weiß, dass ich dir mit meiner Abreise sehr weh tue, aber ich bitte dich um Verständnis.“ So hatte ich ihn noch nie sprechen hören.
    Ich legte meine Hand an seine Wange und sagte: „Ich danke Dir für Alles. Mach dir um mich keine Sorgen, denn Marek wird kommen und eine Weile hier bleiben.“
    Resigniert nickte Salman. „Hast du noch immer Schmerzen?“, fragte er. Ich nickte nur leicht. Schmerzen würden mich jetzt begleiten, mal mehr mal weniger. Das war mein Schicksal. Die Infusionen konnten nur die Spitze des Schmerzes nehmen, oder mich gleich ins Nirwana schießen. Doch ich hatte darum gebeten, mir Schmerzmittel zu geben, die meinen Verstand nicht völlig verdeckten. Bis jetzt konnte ich noch immer klar denken, aber man hatte mich darauf vorbereitet, dass sich das noch ändern könnte.
    In dieser Nacht schlief ich kaum und auch Salman kam nicht
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