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Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz
Autoren: Jean Francis
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ins Leere starrte. Am Tisch wurde gegessen, der Etikette nach durfte dabei wieder geschwatzt werden, was die anderen taten. Keiner redete über Suzanna, die sich im Nebenraum die Spitzenschuhe schnürte und ihre Muskeln warmmachte. Collia war bei ihr, sie versuchte, ihm rasch ein Lied beizubringen, zu dem sie tanzen konnte. Brandon bemerkte, wie ihn seine Brüder vorsichtig ansahen, wenn sie dachten, er würde es nicht mitbekommen. Es roch nach nervösem Schweiß. Jeder am Tisch hätte ihm augenblicklich das Genick gebrochen, seinen Brustkorb geöffnet, das Herz herausgerissen und gebraten wieder reingestopft, um mit ihm zu tauschen. Und jeder hoffte daher insgeheim, Suzanna würde scheitern.
    Die Ausnahme war vielleicht Aiden, dessen Aufmerksamkeit allein bei seinem Bruder war. Seamus schien nicht einmal zu begreifen, was Brandons Freiheit für ihn bedeuten würde. Seamus gehörte offiziell zu Brandon, seit dieser zum Lord ernannt wurde, und er würde ihn nicht zurücklassen. Seamus würde frei sein. Aiden einsam.
    Sein Sinnieren um die Männer verstummte, als Suzanna eintrat. Die schmalen Spitzenschuhe klapperten auf dem Parkett. Sie musste ihr Kleid bewusst ausgesucht haben, es war zwar wadenlang, aber der hohe Beinschlitz gab ihr die nötige Bewegungsfreiheit. In ihren Augen glänzte ein eigenartiger Schimmer, als wäre sie betrunken. Sie knickste, erst vor Cara, dann vor Collia. Ihm schenkte sie keinen Blick, als müsste sie etwas verbergen, was er bemerken würde, wenn sie ihn ansah.
    Suzanna drückte die Füße durch, stellte sich auf die Spitzen, und Collia ließ seine Flöte singen … nein, er ließ sie weinen. Das Stück war einfach, ob dies dem Original geschuldet war, einer Passage aus Saint-Saëns ‚Karneval der Tiere‘, konnte Brandon nicht sagen, er erinnerte sich nicht mehr daran. Vielleicht hatte Collia sich für eine Vereinfachung entschieden oder er improvisierte. Er spielte mit geschlossenen Augen und sein Lied wäre jeder Filmsterbeszene würdig gewesen. Er spielte Suzanna keine Töne zu, er ließ diese einfach im Saal frei und Suzanna fing sie auf und tanzte mit ihnen, ehe sie sie weiterfliegen ließ.
    Der Tanz begann ruhig, bescheiden, alles, was sie tat, waren winzige Trippelschritte auf der Spitze, wobei ihre Arme die Schwanenflügel imitierten. Brandon sah sich rasch um. Niemand aß mehr. Die Männer starrten Suzanna an, wobei sie eher von ihren Brüsten und den langen Beinen gebannt waren als von ihrer Darbietung. Caras Blick konnte man nur wohlwollend als neutral bezeichnen. Schwer einzuschätzen, ob es ihr gefiel. Suzanna bewegte sich nun schneller, neigte sich wie im Wind. Der Schwan geriet ins Trudeln. Sie streckte sich dem Himmel entgegen, griff wie um Halt flehend nach allen Seiten, während sie sich drehte, trippelte, pirouettierte. Sich unausweichlich ihrem Ende näherte und mit dem Verderben anbändelte. Sie vollführte weite Schritte, die die Luft teilten wie Flossen das Wasser. Tanzte langsam, beobachtend, streckte das Bein zu einer hohen Arabesque, um sich im nächsten Moment mit einer geschwinden Drehung hinter sich selbst zu verstecken. Sie tanzte nicht – sie flog und schwamm. Auf ihrem Gesicht spielte eine Symphonie aus Qualen, und selbst Brandon konnte nicht ansatzweise erahnen, ob diese ihrem Spiel geschuldet waren oder den Schmerzen, die sie zweifellos haben musste. Nun kniete sie das erste Mal am Boden, wand sich, akzeptierte ihr Scheitern noch nicht. Als sie sich erhob, erkannte er, dass sie von der Vorlage des Stückes abwich. Die Melancholie wurde zu Zorn, die Schritte energischer, die Sprünge höher. Wie zu einem aufbrausenden Takt peitschten die Spitzen ihrer Schuhe über den Boden. Collia ging mit seiner Flöte in die Knie und spielte lauter. Suzanna keuchte nun leise bei den Bewegungen,die ihr Knie besonders belasteten, sie biss hinter geöffneten Lippen die Zähne zusammen. Zwischen ihren Schulterblättern glänzte Schweiß auf ihrem Rücken. Sie kämpfte um den Tanz wie der Schwan um sein Leben. Suzanna gewann, während der Schwan starb. Sie warf sich aus einer gesprungenen Pirouette auf das linke Knie, bäumte sich noch einmal auf, und ließ sich dann langsam, widerstrebend über dem ausgestreckten rechten Bein nieder.
    „
The desolate creeks and pools among
”, rezitierte Brandon im Flüsterton das Tennyson-Gedicht, „
were flooded over with eddying song
.”
    Suzanna verbarg den Kopf zwischen ihren Flügeln, und die letzten Töne verhallten.

     
    Es
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