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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse
Autoren: Tom Sharpe
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bekämpfen mußte, richtete Skullion seinen Groll gegen sich selbst. Er war hier fehl am Platz.
    Auch seine Besichtigungstour hatte ihm nicht behagt. Er war weder an der Cutty Sark noch an der Gypsy Moth interessiert. Sie waren ebenfalls fehl am Platz, standen auf dem Trockenem, damit Kinder auf ihnen herumtollen und Matrose spielen konnten. Skullion hatte keine solchen romantischen Illusionen. Keinen Moment lang konnte er so tun, als sei er etwas anderes als ein arbeitsloser College-Bediensteter. Das Wissen, daß er ein reicher Mann war, machte den Verlust nur noch schlimmer. Es schien seine Entlassung zu rechtfertigen, da er nun sein Recht verwirkt hatte, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Sogar seinen Auftritt in Carringtons Sendung bereute Skullion. Sie sagten, wie gut er gewesen sei, aber wer waren sie schon? Für diesen Haufen Großmäuler und Wortverdreher, die kichernd und quiekend umherschwirrten wie blauärschige Fliegen, hatte er keine Zeit. Sie konnten ihre verfluchten Komplimente für sich behalten, Skullion brauchte sie nicht.
    Er stand auf, ging ins Bad und rasierte sich. Sie hatten ihm sogar einen neuen Rasierapparat und Rasierschaum in einer Spraydose gekauft, und die Leichtigkeit, mit der er sich rasierte, beraubte ihn seines gewohnten Rituals. Er legte Kragen und Schlips um und zog seine Weste über. Er hatte die Nase voll. Seinen Spruch hatte er aufgesagt, und er war in einem Fernsehstudio gewesen. Das reichte, beschloß er. Er würde nach Cambridge zurückfahren. Die sollten gefälligst ohne ihn ihre Talk-Show abziehen. Er sammelte seine Sachen ein, ging zur Rezeption und bezahlte seine Rechnung. Zwei Stunden später saß Skullion pfeifeschmauchend im Zug und betrachtete die flachen Felder von Essex. Die Monotonie der Landschaft gefiel ihm und erinnerte ihn an die Fens um Cambridge. Wenn er wollte, konnte er sich dort ein Stück Land kaufen und wie sein Stiefvater Gemüse anbauen. Skullion dachte über diese Idee nach, verwarf sie jedoch. Er wollte kein neues Leben. Er wollte sein altes zurückhaben.
    Als der Zug im Bahnhof von Cambridge hielt, hatte Skullion einen Entschluß gefaßt. Er würde noch einen letzten Versuch machen, diesmal nicht beim Dekan oder Sir Cathcart, sondern er würde mit dem Rektor persönlich reden. Er verließ den Bahnhof, ging durch die Bahnhofstraße und fragte sich, weshalb er nicht früher darauf gekommen war. Er hatte seinen Stolz, natürlich, und er hatte auf den Dekan gebaut, aber der Dekan hatte ihn schmählich enttäuscht. Außerdem war ihm Sir Godber zuwider, und er erwies ihm nur den mechanischen Respekt, der dem Rektor eben zustand. An der Ecke Lensfield Road blieb er unter dem Turm der katholischen Kirche stehen. Er konnte jetzt rechts abbiegen und über Parker’s Pièce zur Rhyder Street gehen oder links nach Porterhouse. Es war erst zwölf Uhr, und er hatte noch nichts im Magen. Am besten ging er in die Stadt, aß in einem Pub eine Kleinigkeit und legte sich seinen Plan zurecht. Skullion trottete über die Regent Street, betrat den »Brunnen« und bestellte sich ein großes Guinness und ein paar Sandwiches. Er saß am Tisch neben der Tür, trank sein Bier und versuchte sich vorzustellen, was der Rektor sagen würde. Bestimmt würde er ihn abweisen. Skullion dachte über diese Aussicht nach und entschied, es sei einen Versuch wert, auch wenn er dabei seine Selbstachtung aufs Spiel setzte. Aber tat er das wirklich? Schließlich wollte er nur sein Recht, außerdem besaß er eine Viertelmillion Pfund. Er war auf die Stellung nicht angewiesen. Niemand konnte von ihm behaupten, er sei kriecherisch. Er wollte sie einfach nur zurückhaben, wollte seinen guten Namen zurückhaben und weiter das machen, was er schon fünfundvierzig Jahre tat, er wollte der Pförtner von Porterhouse sein. Von der Überzeugungskraft seines eigenen Arguments beseelt, trank Skullion sein Bier aus und ging. Er schlängelte sich durch die Kauflustigen in Richtung Market Hill, immer noch über die Weisheit seines Vorhabens nachgrübelnd.
    Vielleicht sollte er ein, zwei Tage warten. Vielleicht hatten sie es sich schon anders überlegt, und zu Hause wartete ein Brief auf ihn, in dem man ihm seine alte Stellung wieder anbot. Skullion verwarf diesen Gedanken. Die ganze Zeit über war da eine unterschwellige Angst, daß er durch diesen Bittgang seine Selbstachtung gefährde. Er brachte die Angst zum Schweigen, doch sie ließ sich nicht abschütteln und blieb so hartnäckig wie die natürliche
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